Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
mitgenommen, als ich mit der Truppe die Splitterkrone verließ«, erklärte der Einäugige und breitete vor Rowarn die Lederrüstung aus Ennishgar samt Gürtel, Messer und Schwert aus, Noïruns Geschenk. »Ich dachte mir, du willst die Rüstung wiederhaben. Das Wappenhemd und die Ritterfahne sind natürlich auch dabei.«
Es wurde still am Tisch. Rowarn war sprachlos. Seine Hand glitt über die kostbaren Sachen, an denen viele Erinnerungen hingen. Er hatte sie für immer verloren geglaubt. »Ich – ich weiß gar nicht, was ich ...«, stammelte er. Dann sprang er auf. »Entschuldigt, ich – ich muss für einen Moment ... da ... ist ...«
Er schüttelte den Kopf und stürmte aus dem Raum, wobei er zwei Männer fast umrannte, die gerade hereinwollten.
Rowarn lief quer durch den Park bis in den Wald hinein, der schon dunkel war. Aber durch seine nachtsichtigen Augen fand er sich leicht zurecht. Der Himmel war klar, der Mond und Ishtrus Träne strahlten um die Wette.
Als Rowarn sich weit genug von allen Augen und Ohren entfernt glaubte, kauerte er sich zitternd an einen alten Eichenstamm, zwischen zwei kräftige Wurzeln. Er zog die Knie an, schlang die Arme darum, verbarg den Kopf dazwischen und weinte.
Ich kann nicht mehr , dachte er verzweifelt. Sie müssen es erfahren. Ich weiß nicht, wie ich es ihnen beibringen soll, aber so geht es nicht weiter. Sie müssen wissen, wer mein Vater ist. Und dass ich der Zwiegespaltene bin. Und der Erbe von Ardig Hall. Eben alles.
Die Brust war ihm so eng, dass er glaubte, zerspringen zu müssen. Diese aufrechten, ehrlichen Männer behandelten ihn wie einen der Ihren, ohne das Geringste von der Dunkelheit in ihm zu ahnen. Seit dem Aufbruch von Inniu hatte Rowarn nie die Wahrheit über sich gesagt. Und nun, da das Geheimnis um seine dämonische Herkunft umso schwerer wog, schwieg er erst recht aus Scham und Angst.
Am besten rief er gleich morgen früh alle zusammen und gestand ihnen die Wahrheit, bevor er mit Windstürmer aufbrach, irgendwohin. Es gab genügend Orte, an denen man ihn nicht kannte, wo er neu anfangen konnte. Irgendwann würde er schon über den Verlust hinwegkommen und eine neue Aufgabe finden. Vielleicht sollte er sogar den Tyrannen Hakkur besuchen, der ihm erzählen konnte, wie es war, mit der Einsamkeit zu leben.
Rowarn fuhr hoch. Er hatte ein Geräusch gehört, das leise Knacksen von trockenen Zweigen, zertreten von weichem Schuhwerk. Hastig wischte er die Tränen ab. So wollte er auf keinen Fall gesehen werden! Wie weit musste er denn laufen, um endlich seine Ruhe zu haben? Um sich gehen lassen zu dürfen, ohne beobachtet zu werden?
Er stand auf und schlich durch die Büsche dorthin, wo er das Geräusch gehört hatte. Dabei verursachte er selbst keinen Ton. Rowarn war nah am Wald aufgewachsen, er konnte sich lautlos und verborgen bewegen wie ein wildes Tier. Und das Blattwerk bot genug Deckung, um sich nicht durch den Schimmer seiner Aura zu verraten.
Schließlich sprang er durch einen Busch, griff zu – und hielt Arlyn am Arm. Erschrocken ließ er sie los und wich einen Schritt zurück.
Sie war nicht minder verdattert, ihre Augen waren weit aufgerissen. »Rowarn?«, sagte sie. »Was ist ...«
»Was macht Ihr ...«, fing er gleichzeitig an und brach ebenso wie sie ab.
Verlegen stand er der Lady gegenüber. Hoffentlich hatte sie nicht den Eindruck, dass er ihr nachgeschlichen war.
Dann fing Rowarn neu an: »Ich dachte, ich wäre allein.«
»Nun, das dachte ich auch.«
»Wobei habe ich Euch gestört?«
Sie deutete auf den Korb, den sie bei sich trug. »Ich habe Pflanzen gesammelt, die nur nachts ihre Kräfte entfalten. Und du?«
»Meine Gedanken gesammelt.« Sein Herz pochte, weil sie die förmliche Anrede einfach wegließ. Aber er war noch zu gehemmt, ebenso zu antworten, und drückte sich um eine direkte Anrede.
Sie nickte. Dann stellte sie den Korb ab und nahm ihn am Arm. »Komm.«
Er wollte zögern, doch sie ließ es nicht zu. Tiefer hinein ging es in den Wald, auf einem Pfad, der ihm unbekannt war.
Es war eine vergleichsweise laue Nacht, der Himmel sternenklar. Eine zarte Brise tanzte sirrend hoch oben in den Wipfeln der Bäume, und die Blätter antworteten flüsternd. Die Baumstämme boten scharfe Schattenrisse, gelegentlich durch silbrigweiße Rinde aufgehellt. Die Farne waren hier hochgewachsen, feinfiedrig und schlank.
An dieser Stelle war Rowarn noch nie gewesen. Der Wald wurde hier nicht düsterer, sondern heller, mit
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