Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
streckte sie beide Arme aus und zog Rowarn an sich, doch auf ganz andere Weise als die Königin zuvor. Zärtlich und liebevoll, wie eine Mutter ihr Kleines in den Arm nimmt und wiegt. »Sei willkommen, Kind«, flüsterte sie. »Oh, wie sehr habe ich dies vermisst ...«
Was soll nun mit ihm geschehen? , fragte die Königin.
»Er hat widerstanden«, antwortete die Große Mutter und gab Rowarn frei, nicht ohne ihm noch einmal übers Haar zu streichen.
Rowarn hätte nicht beschreiben können, wie sie sich anfühlte. Nicht so flüchtig wie ein Windzug, aber auch nicht so fest wie warmes Fleisch.
Sie fuhr fort: »Gib ihm, wonach er verlangt.«
Das ist mir nicht genug! Das Erbe seines Vaters hat ihn vor dem Versagen bewahrt. Ist er wirklich der Verantwortung würdig und stark genug? Er ist so jung ...
»Meine Lebenszeit verrinnt ...«, klagte Rowarn. Er spürte, dass selbst die Kraft der Langlebigkeit der Nauraka nunmehr versiegte. Wenn er sich hier noch länger aufhielt, konnte er den Splitter gar nicht mehr mit sich nehmen.
»Es tut mir leid, mein kleiner Schatz«, raschelte die Große Mutter. »Überzeuge sie davon, dass du dir das Bruchstück des Tabernakels verdient hast.«
»Das habe ich nicht«, flüsterte Rowarn. »Und ich will es auch nicht für mich. Ich muss es vor dem Zugriff von Femris bewahren, der das Tabernakel zu nutzen verlangt. Ich aber habe kein Interesse daran. Ich will, dass Waldsee wie bisher außerhalb des Ewigen Krieges bleibt. Nichts soll sich verändern, auch Ihr sollt Euer Reich, Eure Sphäre bewahren, Hohe Königin.«
Edle Worte, doch dies ist auch, was geschieht, wenn ich den Splitter behalte.
»Nein, edle Frau, das wird es nicht.« Rowarn blickte die Große Mutter flehend an. »Ist Xhy Eure Welt, göttliche Herrin? Ihr müsst gesehen haben, was dort geschehen ist. Was der Nichtige von den Annatai Eurem Volk antat. Ich glaube, dass Femris einen Weg bereiten will, um ihn hierher zu bringen, um ihm die Macht des Tabernakels zu geben, damit die Finsternis obsiegt.«
Er sank langsam auf die Knie und sah, wie seine Haut trocken und runzlig wurde. Die Lebensenergie rann aus ihm wie aus einem blutenden Baum. Sein Leben würde bald zwischen den Sternen versickern, und nichts mehr würde von ihm bleiben, nur noch Arlyns Ring. »Mein Vater«, fuhr er mit letzter Kraft fort, »hat diesen Weg gewählt, weil er Ähnliches befürchtet.« Mit brechendem Blick schaute er noch einmal zu der Königin hoch. »Dies muss der Grund sein, weswegen Ihr Hüterin geworden seid«, stieß er mit versiegender Kraft hervor. »Ich bin das Bindeglied zwischen Eurer Welt und der ... anderen Seite. Ich will nicht, dass eine Macht gewinnt. Harmonie kann nicht ohne Gleichgewicht bestehen, aber das Gleichgewicht ist kalt und leer ohne Harmonie. Wir müssen beweisen, dass es immer noch die EINHEIT gibt oder zumindest Berührungspunkte. Helft mir! Ich bitte Euch. Und schnell, denn ...«
Rowarn spürte, wie sein Herz den letzten Schlag tat. »Zu spät«, wisperte er traurig und fiel.
Kapitel 48
Die letzte Tür
Noïrun erhob sich nach traumlosem Schlaf zu gewohnter Stunde von seinem Lager; er brauchte niemanden, der ihn weckte. Während seine Gedanken bereits bei den Befehlen weilten, die er gleich erteilen würde, wusch er sich, nahm ein wenig Trockenfrüchte und ein Glas Wasser zu sich, dann gürtete er sich und verließ das Zelt.
Und blieb abrupt stehen, denn dort draußen war es still, keine Bewegung gab es. Obwohl sich Soldaten, Ritter seiner Garde und einige Befehlshaber in der Nähe aufhielten, doch sie alle standen reglos und sahen ihn an.
Der Fürst wusste sofort, dass etwas geschehen war. Aus dem Nachbarzelt kam Olrig angehastet, der ebenfalls augenblicklich die Lage erfasst hatte.
Fabor trat auf den Heermeister zu und hielt ihm wortlos mit zitternden Händen ein Bündel hin. Noïrun spürte, wie er innerlich kalt wie ein schneebedeckter Stein wurde. Er öffnete das Bündel und sah ein blutiges Wappenhemd und ein zerrissenes, gleichfalls blutiges Hemd. Kornährenhelle Haare lagen darauf.
Auffordernd sah er Fabor an, der mehrmals schluckte und sich räuspern musste, bevor er Bericht erstatten konnte. »Ein Bote Dubhans brachte es gerade eben, übergab es der Lagerwache und verschwand wieder. Er sagte noch ein paar Worte dazu, nämlich dass Tracharh der Taur es aus dem Dämonenland an Femris geschickt habe, und dass wir wüssten, was das zu bedeuten habe.«
Sein Inneres gefror. »Olrig, hol Graum«,
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