Die Chronistin
andere Eiter und Blut hervorpresste. Das Leinentuch saugte ihn auf, und hastig beträufelte sie nun die Wunde nicht länger mit Wein, weil dieser im offenen Fleisch brannte, sondern mit milderem Leinsamenöl.
Hierauf hörten die kreisenden Bewegungen auf. Fast steif wurde sein Rücken.
»Wenn ich sie nun aber mit einem Pelz beschenkte«, so setzte er raunend an, »ja, wenn ich von langen Reisen wiederkehrend am Abend mit ihr zusammenhockte, so war das Zetern vergessen. Dann geschah’s, dass ich sie umarmen durfte und dass sie ihr Nachthemd hob... aua!«
»Gleich ist es gut!«, beschwichtigte Sophia, indessen sie keinen Eiter mehr aus dem Furunkel presste, sondern nur reinigendes Blut, der andere Finger hingegen tiefer drang, um das Leiden möglichst nebensächlich zu halten. Arnulf schien ihm gleichzeitig auszuweichen und ihn zu suchen. Anstatt zu kreisen, begann er ruckartig seinen Leib in das Kissen zu stoßen, auf dem er lag. Seine schlaffe, ledrige Haut zwängte ihren Finger ein und ließ ihm jählings keine Freiheit, sich streichelnd zu bewegen. Beinahe schmerzte es. Seinen Kopf – eben noch ihr zugewandt – presste er zur Seite, sodass sie seine gurgelnden Geräusche nur gedämpft vernahm.
Steif stand sie, je mehr er sich bewegte, verlegen, weil er auf ihre vorsichtigen Lockungen viel ungestümer reagierte als die raunende Griseldis, zugleich zufrieden, weil sie ein Toben steuern konnte, das für kurze Zeit stärker war als seine andauernden Schmerzen.
Es entlud sich bald. Kaum wusste sie, was ihr geschah, als eine zweite Flüssigkeit – sämig wie der blasse Eiter, nur bar jeglichen Bluts – auf das Leinen tropfte. Sie riss die Hand zurück, um ihrer Wärme zu entgehen, und in diesem Augenblick sprang er auf – hochgetrieben von der Angst, sich schmutzig gemacht zu haben.
»Arnulf!«, rief sie ihm nach, und es klang heiser, weil ihre Kehle so trocken war.
Lange antwortete er nicht, blieb stehen und wusste nicht, wie er sich waschen sollte. Gewiss, es standen die Krüge bereit – doch jene waren gefüllt mit jenem heiligen Nass, worin der gottgeweihte Mönch gebadet hatte.
»Vielleicht solltest du besser gehen, Mädchen«, murmelte er verlegen.
Dass sie seinen Körper nicht mehr berühren musste, stimmte sie zunächst erleichtert, dann aber umso panischer, als dieser Umstand von seiner abwehrenden Stimme begleitet ward.
Es ist nicht schlimmer, als bei Griseldis zu liegen, dachte sie entschlossen und trat zu ihm.
»Es ist vonnöten«, flüsterte sie ihm zu und legte vorsichtig eine Hand auf seine Schulter, »die Wunde mit einer Salbe einzureiben. Ich habe sie bereits vorbereitet.«
Sophia schrieb es auf.
Er ist ein einfacher Mann, schrieb sie, sein Leben ist dem Leib geweiht, ob jener nun Lust oder Schmerz schmeckt. Trotzdem er die Schrift beherrscht, ist er kein Gelehrter, und vieles, was sich bei ihm lesen lässt, zählt zu dem Unwichtigen, was besser nie geschrieben worden wäre. Aber was wäre mein Leben ohne ihn? Nur bei ihm kann ich lesen und schreiben. Wenn es ihn nicht gäbe – der Tod wäre mir eine bessere Wahl, soviel ist gewiss. Ich werde ihn so weit bringen, dass er... dass er...
Sie wagte es nicht, den Gedanken vollständig auf Pergament festzuhalten. Zu viel schon hatte sie schreibend von sich preisgegeben und war einer Neigung gefolgt, die sie sich längst hatte abgewöhnen wollen. In den letzten Monaten war es auch meistens gelungen, sich – auf lose Blätter schreibend – darauf zu beschränken, was Arnulf von der großen Welt zu berichten hatte und was sich festzuhalten lohnte. Dennoch genoss sie es nun, mit geschriebenen Worten zu bestimmen, dass das Vorteil bringende Zusammensein der ersten Wochen nur allzu bald in seiner Erkenntnis münden würde, dass er sie brauchte und von der schrecklichen Familie befreien musste.
Im Vergleich zum dunstigen Heim der Tante, welches sie wie ein Viehstall deuchte, waren sein ständig währendes Ächzen, seine Furcht vor Krankheit und schließlich auch seine Lust, die stets mit Linderung von Weh vereint war, erträglich.
Nicht weit von ihr hockte er, die Schreibende musternd.
»Der Tag neigt sich dem Abend zu«, meinte er, »es wird Zeit, dass du heimkehrst!«
»Und wenn ich bliebe?«
»So wird deine schnaufende Tante Bertha erscheinen und mit ihrem tropfenden Schweiß Krankheit in diesem Haus verbreiten.«
Im Widerspruch war zugleich auch der väterliche Spott zu hören. Sie erhob sich, um ihn mit ihrem Trachten nicht zu
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