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Die Chronistin

Die Chronistin

Titel: Die Chronistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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nicht geholfen, und da Arnulf – wenn ihm schon das Gehen manchmal schwer fiel – zumindest gut sitzen wollte, blieb ihm nichts anderes übrig, als Sophia die Wunde zu zeigen.
    Schweigend untersuchte sie ihn, verkniff sich den Ekel und befahl ihm schließlich schlicht, sich hinzulegen.
    In der Krankenstube hatte sie es stets gehasst, wenn Cordelis von ihr forderte, sie möge einer Kranken nicht nur eine Salbe mischen oder einen Kräutertee brühen, sondern hintreten, in das offene Fleisch greifen und es durch Stechen, Schneiden, Drücken heilen. Auch jetzt spürte sie, wie ihr der Gaumen trocken wurde, und sie presste die Zunge daran, um aufgeregtes Schlucken zu vermeiden. Dennoch rief sie sich alsbald die Prozedur ins Gedächtnis, mit der man solcher Art von Wunden Herr werden konnte, und befolgte – im Kopfe Wort für Wort ablesend – jeden der angeratenen Schritte. Sie kochte Kamille auf, wusch eine spitze Nadel, mit der sie das Furunkel aufzustechen gedachte, in dem Sud, und legte sich sauberes Leinen zurecht. Hernach mischte sie Wein und Rosenwasser, auf dass die Wunde während der Behandlung sauber bliebe, und Lorbeeröl, Wachs und Bärenschmalz, auf dass Arnulf eine Salbe hätte, die er in den nächsten Tagen stets aufs Neue auftragen konnte.
    Fortüber sagte sie sich dabei, dass das Stückchen Welt, auf dem ihr Geist überdauern konnte, schmal geworden war und dass sie sich bei Arnulf unentbehrlich machen musste, wollte sie an jenem eng umzäunten Fleckchen sicher verharren.
    Tastend fuhr ihr Zeigefinger die Haut seines Gesäß’ entlang, die schlaff vom Fleisch hing und sich wie Leder anfühlte – besonders dort, wo dunkle Flecken saßen. Bislang hatte sie nur der Frauen nackte Leiber gesehen. Nun gewahrte sie, dass bei einem Mann die runzelige Wölbung des Hinterteils von kräuselnden Haaren bedeckt war. Sie waren rau und stachelig wie jene, die Griseldis zwischen ihren Beinen wuchsen, und manche sprossen aus roten, juckenden Punkten hervor.
    Arnulf stöhnte auf, als sie die Haut berührte.
    »Ich weiß nicht«, stotterte Sophia und schämte sich, dass sie der Sprache nicht mächtig war wie sonst, »ob ich jeglichen Schmerz vermeiden kann.«
    »Der soll mich nicht stören, wenn es hernach nur besser ist – Gott weiß, warum ich stets bestraft werde mit solcher Heimsuchung. Vor zwei Tagen noch tat mir der Nacken weh und nun... aua!«
    Besänftigend legte sie nicht nur Finger, sondern die ganze Handfläche auf sein wundes Hinterteil. Hierauf geschah es, dass er wieder stöhnte, jedoch nicht schmerzerfüllt, sondern zäh keuchend. Es war dies ein Laut, den sie gewöhnlich nicht aus seinem Mund kommen hörte. Anstatt mit der Behandlung fortzufahren, war sie unwillkürlich geneigt zu erproben, wie sie ihn hervorlocken und lenken konnte. Es war nicht schwierig. Als sie die spitzen Härchen streichelte, richteten sich jene auf, und ein Ruck ging ihm durch den Körper, der das Hinterteil näher an ihr Gesicht rückte.
    »Wie lange dauert’s?«, herrschte er sie verlegen an.
    »Wie kommt es«, fragte Sophia, um ihn abzulenken, und weichte den Furunkel, der in der Mitte einem schwarzen, festgebissenen Käfer glich, zuerst mit dem heißen Saft der Kamille auf, dann mit der Mischung von Rosenwasser und Wein, »dass Ihr nach dem Tod Eurer Karin niemals ein zweites Weib genommen habt?«
    Der Geruch nach fauligem Fleisch stieg ihr in die Nase, als sie mit dem stumpfen Ende der Nadel prüfend das Geschwür niederdrückte. Ein Tropfen Eiter floss hervor wie gelbliches Wachs.
    »Ich wollte ihr Zetern nicht mehr hören, wenn ich stets erneut auf Reisen ging, und das war oft«, sprach er, um sich abzulenken. »Sie klagte ob der langen, finsteren Winter und war erst wieder glücklich, wenn ich ihr neue Pelze mitbrachte. Dann... aua!«
    Wissend, wie sehr er Schmerzen fürchtete, ließ sie die Nadel ruhen und legte die Hand auf die Wunde. Er zuckte ein zweites Mal – und mehr noch: Er schien gar nicht wieder damit aufzuhören. Sein Hinterteil bewegte sich langsam, aber kreisend auf und nieder. Es schien seinen Schmerz abebben zu lassen, zugleich aber anderes an dessen Stelle treten zu lassen. Verwirrt hob sie die Hand, um sie sogleich weniger verzagt erneut aufzulegen, das Kreisen mitzubestimmen und kehlige Laute zu beschwören. Als sein Atem schneller und schneller ging, hob sie kaum merklich die Nadel, stach zu und beschwichtigte den Schmerzensruf, indem der eine Finger streichelnd in seine Spalte glitt, indessen der

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