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Die Chronistin

Die Chronistin

Titel: Die Chronistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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nicht geschafft und somit dort Unterstand gesucht, wo mit ihrem Erscheinen am ehesten zu rechnen war.
    »Ragnhild!«, kreischte jener böse, welcher schielte und welchem man sie als Weib zugedacht hatte.
    Ihre Stimme war nicht minder schrill.
    »Arnulf!«, plärrte sie, wiewohl sein Name zu jenen gehörte, die sie eben noch geschmäht hatte. »Arnulf! Helft mir!«
    Sein Gesicht war bleich und entsetzt.
    Arnulf fürchtete Gewitter mehr als Krankheit. Man konnte wohl versuchen, Letzterer beizukommen – den himmlischen Mächten aber war der schwache Mensch ohnmächtig ausgeliefert.
    »Wenn es in den Wolken grollt«, begann er auf Sophia einzureden, nachdem sie sich einfach an ihm vorbeigedrängt und das Tor hinter sich zugeschlagen hatte, und achtete nicht auf ihre Not, »dann klingt es ebenso, wie wenn ein Sünder stirbt. Furchterregend sind der Dämonen Laute. Zwar streiten sie jetzt noch gegeneinander, aber wer weiß – vielleicht kommen sie bald schon einen holen, stehlen ihm die Seele und hacken ihm die Glieder ab. Man weiß von ihrer Freude, mit Augen Murmeln zu spielen.«
    So wenig, wie er Sinn für ihre Ängste zeigte, achtete sie auf seine. »Verschont mich mit Eurem Aberglauben!«, rief sie schrill. »Mich jagen keine Dämonen, sondern bösartige Verwandte.«
    Sein Blick, bislang nach oben gerichtet, woher der Lärm des Himmels sich über das armselige, kleine Menschenpack ergoss, glitt zögernd auf sie – ein Anblick, der ihn nicht weniger unbehaglich stimmte.
    »Wie siehst du überhaupt aus, Mädchen? Du bist... dreckig!«
    Das letzte Wort tönte mit leiser Schelte. Wer immer sein Haus betrat, war ein Verpönter, wenn er Schmutz mit sich brachte – es ließ sich nicht erahnen, wie viel bösartige Krankheit darin schlummerte.
    »Habt keine Angst, ich bringe Euch keine Krankheit«, stritt Sophia diese seiner Ängste ab, »ich bin jene, die Euch davor schützen wird, den Rest Eures Lebens. Lasst mich nur hier in Eurem Heim bleiben und gewährt mir Schutz!«
    »Was redest du? Deine Tante erlaubt dir, hier zu sein – wenn dich deine Vettern aber in ihrem Namen fordern, so musst du gehen! Ich bin als Mann von Anstand bekannt. Oh, hörst du nicht, wie immer noch der Himmel grollt?«
    Er zuckte zusammen, was sie ungeduldig stimmte. Nichtig deuchte sie seine Furcht im Gegensatz zu ihrer. Sie stampfte mit dem Fuß auf, anstatt sich den Retter geneigt zu stimmen.
    »Der Anstand hat Euch nicht viel bedeutet, als Ihr mir das nackte Hinterteil entgegenstrecktet. Arnulf, Ihr müsst mich von dieser Familie befreien! Seht zu, dass ich nicht zurück muss! Heiratet mich, und ich werde Euren Leib pflegen, so Ihr es denn wollt!«
    Ihr Plan, über Wochen ganz langsam entwickelt, ward ohne Taktik vorgebracht. Sie wähnte sich getrieben, verfolgt – nicht nur von den Vettern, sondern von der eigenen Vergangenheit, den stumpfsinnigen Monaten im Hause der Tante und den Jahren im Kloster, die rückblickend betrachtet auf Griseldis’ fetten Leib, Mechthilds kalt triumphierendes Gesicht und den Gestank von verbrannten Leibern geschrumpft schienen.
    Sie wollte sich nicht davon einholen lassen. Sie wollte sie nicht mehr tatenlos ertragen – weder die Ohnmacht gegenüber dem Geschick, noch die Schuld, die dieses bedingt hatte.
    »Ja, heiratet mich!«, drängte sie zugleich panisch und fordernd. »Bin’s nicht ich, die Euch das Leben seit Monaten erträglich macht?«
    Arnulf verzog die Stirne, nicht recht gewiss, was ihm am meisten zusetzte – dass von ihrer windzerzausten Gestalt braunes Regenwasser troff, dass sie mit einer Stimme stritt, die jener von derben Marktweibern glich, oder dass sie ein Ansinnen nannte, an das er noch keinen Gedanken verschwendet hatte.
    Er trat zurück, sie folgte ihm – zumal sich von der Tür her nicht nur ungeduldiges Klopfen regte, sondern wütende Stimmen tönten. Zunächst riefen sie ihren Namen, später den des Kaufmanns, auf dass er die Türe öffnen und die Ungehorsame ausliefern möge.
    »Lasst sie nicht herein!«, kreischte sie zornig über sein Zaudern hinweg.
    »Mädchen! Was denkst du, ich kann doch nicht...«
    »Ich will nicht länger leben, wo man mich nicht schreiben lässt. Denkt nicht, es sei nur weibische Neugierde, die mich treibt, meine Nase in Eure Bücher zu stecken!«
    »Mädchen, ich bitte dich, wenn deine Vettern Einlass begehren, so darf ich nicht...«
    Ihre nasse Haut fröstelte. Sie suchte sich Hitze in den Leib zu schreien.
    »Ich besitze eine Gabe wie kein Zweiter auf

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