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Die Chronolithen

Die Chronolithen

Titel: Die Chronolithen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Mercy gezwungen gesehen, sie unter Haldol [xix] zu setzen). Das Wohnzimmer, in dem ich nun mit meinem Vater saß, hatte sich seither erstaunlich wenig verändert. Nicht, dass er Anstalten gemacht hätte, das Haus zu einem Schrein für Ma zu machen. Er hatte einfach nichts verändert. Er war gar nicht auf die Idee gekommen, etwas zu verändern.
    »Ich hab ’nen Haufen Anrufe bekommen, immer ging es um dich. Dachte schon, du hättest ’ne Bank ausgeraubt.«
    Die Vorhänge waren zugezogen. Es war eins von den Häusern, die nicht viel Licht hereinließen, egal was man dagegen tat. Auch die uralte Flurleuchte konnte die Düsternis nicht vertreiben.
    Er saß in seinem abgenutzten grünen Lehnstuhl, atmete flach und wartete, dass ich etwas sagte.
    »Es ging um einen Job«, sagte ich. »Man hat mich ein bisschen durchleuchtet.«
    »Merkwürdiger Job, wenn das FBI Hausbesuche macht.«
    Das Unterhemd zeigte deutlich, wie abgemagert er war. Er war früher mal ein stattlicher Kerl gewesen. Stattlich und leicht reizbar, kein Mann, mit dem sich spaßen ließ. Jetzt hatte er die Arme eines Skeletts, an denen kaum noch Fleisch hing. Die einst gewölbte Brust war auf die Rippen geschrumpft, der Dorn vom Gürtel war mindestens im fünften Loch, und das lose Ende baumelte am Hüftgelenk.
    »Ich bin jetzt eine Zeit lang außer Landes«, ließ ich ihn wissen.
    »Wie lange?«
    »Um die Wahrheit zu sagen, ich weiß es nicht.«
    »Hat dir das FBI gesagt, ich wär krank?«
    »Ist mir zu Ohren gekommen.«
    »Vielleicht bin ich nicht so krank, wie sie denken. Es geht mir nicht gut, aber…« Er zuckte die Achseln. »Diese Ärzte wissen gar nichts, benehmen sich aber wie Moses. Willst du ’nen Kaffee?«
    »Lass nur. Die Kaffeemaschine steht bestimmt noch an derselben Stelle.«
    »Du meinst, ich bin zu gebrechlich, um Kaffee zu machen?«
    »Das hast du gesagt.«
    »Ich kann immer noch Kaffee machen, Jesus Christus.«
    »Lass dich nicht aufhalten.«
    Er ging in die Küche. Ich stand auf, um ihm zu folgen, hielt aber an der Türschwelle inne, als ich sah, wie er heimlich einen ordentlichen Schuss Jack Daniels in seine Tasse kippte. Seine Hände bebten.
    Ich wartete im Wohnzimmer und besah mir die Bücherregale. Die meisten Bücher hatten meiner Mutter gehört. Mutters Geschmack war Nora Roberts gewesen, »The Bridges of Madison County«, und unzählige Titel von Tim LaHaye. Mein Vater steuerte die alten Romane von Tom Clancy bei und »Stranger than Science«. Ich hatte viele Bücher besessen damals, als ich hier gelebt hatte. Ich war ein Muster-Student gewesen, vermutlich nur, weil ich Angst gehabt hatte, nach Hause zu kommen – hatte aber meine Detektivromane auf einem gesonderten Brett stehen, pingelig darauf bedacht, Conan Doyle oder James Lee Burke von Autoren wie V. C. Andrews und Catherine Coulter fern zu halten.
    Mein Vater kam mit zwei dampfenden Bechern zurück. Mir gab er den mit CORIOLIS SHIPPING, dem stark verblassten Namen seines letzten Arbeitgebers. Dreiundzwanzig Jahre lang hatte er das Coriolis-Vertriebsnetz verwaltet und kassierte nach wie vor jeden Monat sein Ruhegeld. Der Kaffee war bitter und schlabbrig in einem. »Richtige Milch oder Sahne hab ich nicht«, sagte er. »Ich weiß, dass du ihn weiß trinkst. Ich habe Milchpulver genommen.«
    »Ist gut so«, sagte ich.
    Er lehnte sich im Stuhl zurück. Vor ihm auf dem Beistelltisch lag eine Fernbedienung, vermutlich für sein Videodisplay. Er schaute sie sehnsüchtig an, griff aber nicht danach. Er sagte: »Das muss ein merkwürdiger Job sein, auf den du dich beworben hast, denn diese FBI-Leute haben ein paar seltsame Fragen gestellt.«
    »Zum Beispiel?«
    »Na ja, wie soll ich sagen, da war das Übliche, wo du zur Schule gegangen bist und was für Abschlüsse du gemacht hast und wo du gearbeitet hast. Aber sie wollten es ganz genau wissen. Ob du Sport getrieben hast, was du in deiner Freizeit gemacht hast, ob du viel über Politik und Geschichte geredet hast. Ob du viele Freunde hattest oder eher zurückgezogen warst. Wer dein Hausarzt war, ob du irgendwelche ungewöhnlichen Kinderkrankheiten hattest, ob du jemals beim Psychiater warst. Und eine Menge über Elaine. Dass sie krank war, wussten sie. Bei so was hab ich meistens gesagt, sie sollten sich verpissen. Sie wussten schon ziemlich Bescheid, das war auffallend.«
    »Sie haben nach Ma gefragt?«
    »Sagte ich schon.«
    »Was für Fragen waren das?«
    »Nach ihren – du weißt schon – Symptomen. Wann sie auftraten und

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