Die Chronolithen
schlang die Arme um mich und sah, wie Sue Chopra das Gleiche tat, als sie sich vom Fenster abwandte.
Der IDF-Mann, der Augenblicke zuvor aufgestanden war, hob seine automatische Maschinenpistole. Er schrie etwas, das im Lärm des Sturms unterging. Dann eröffnete er das Feuer.
Der Schießwütige hieß Aaron Weiszack.
Was ich über ihn weiß, weiß ich aus den Zeitungen des darauf folgenden Tages; würde es nicht ein Meer von Leid ersparen, könnten wir schon heute die Schlagzeilen von morgen lesen?
Vielleicht nicht.
Aaron Weiszack war in Cleveland, Ohio, geboren und 2011 mit seiner Familie nach Israel ausgewandert. Seine Jugend verbrachte er in einem Vorort von Tel Aviv und hatte bereits mit einer ganzen Reihe von radikalen politischen Organisationen geliebäugelt, bevor er 2020 eingezogen wurde; Weiszack war 2025, während der Unruhen auf dem Tempelberg, kurz in U-Haft gewesen, aber nicht angeklagt worden. Seine IDF-Akte war allerdings makellos, und er hatte es verstanden, seine anhaltenden Kontakte zu einer trivialen »kuinistischen« Zelle namens Umarme die Zukunft vor seinen Vorgesetzten zu verbergen.
Er war aus dem Gleichgewicht, wenn nicht geistig verwirrt. Seine Motive bleiben im Dunkeln. Er hatte nicht mehr als zwei Salven abgeben können, bevor ihn die IDF-Soldatin Leah Agnon mit einem kurzen Feuerstoß aus ihrer Waffe niederstreckte.
Weiszack erlag beinah augenblicklich seinen Verletzungen. Doch er war nicht das einzige Opfer.
Ich habe oft gedacht, dass die Tat von Aaron Weiszack mindestens so menschenverachtend war wie die Ankunft des Kuin von Jerusalem – auf ihre Weise eine unübertroffen präzise Vorwegnahme dessen, was uns bevorstand.
Weiszacks letzter Feuerstoß durchschlug eine der angeblich druckwellensicheren (aber offenbar nicht kugelsicheren) Fensterscheiben, die in einem Schauer aus glitzernden Graupeln in sich zusammenfiel. Kalter Wind und dichter Nebel schlugen in den Raum. Ich stand auf, taub von der Schießerei, blinzelte verstört. Morris warf sich über Sue Chopra, die am Boden lag, und deckte sie mit seinem Körper. Keiner wusste, ob der Angriff vorbei war oder gerade erst begonnen hatte. Von Sue war nichts mehr zu sehen, so breit machte sich Morris, ich wusste nicht, ob sie ernsthaft verletzt war, aber überall war Blut – die ganze Tapete verspritzt mit Weiszacks Blut, die Konsolen gesprenkelt vom Blut der jungen Techniker. Ich holte Luft und nahm wieder erste Geräusche wahr, das Kreischen von Menschen, das Kreischen des Windes. Feine Eiskörner flogen wie Schrapnells durch den Raum, angetrieben von unsäglich steilen Temperaturgradienten, die über die Stadt fegten.
Das IDF-Kontingent umringte Weiszack, die Mündungen auf den regungslosen Körper gerichtet. Das FBI-Kontingent verteilte sich, um das Terrain zu sichern, und einige von Sues Studenten irrten zwischen getroffenen Kameraden umher und versuchten sich in erster Hilfe. Stimmen, mir war, als sei auch die von Morris darunter, schrien um Hilfe. Wir hatten einen Sanitäter im Raum, der, wenn nicht verletzt, dann sicher überfordert war.
Ich duckte mich und krabbelte auf allen vieren zu Morris hinüber, er hatte Sue freigegeben und barg ihren Kopf in seinen Armen. Sie war verletzt. Auf dem Teppich war Blut, überall rote Tröpfchen, die in der brutalen Kälte dampften. Morris sah kurz auf und formte die Worte überdeutlich mit dem Mund: »Nichts Ernstes«, sagte er in den brüllenden Wind. »Kommen Sie, wir ziehen sie in den Flur.«
»Nein!« Sue zog sich an ihm hoch, und ich sah die blutige Stelle, wo die Jeans von einer Kugel oder einem Schrapnell zerrissen war, eine heftig blutende Furche im fleischigen Teil des rechten Oberschenkels. Wenn das ihre einzige Verletzung war, dann hatte Morris Recht und sie hatte Glück im Unglück gehabt.
»Wir kümmern uns, keine Widerrede«, sagte Morris entschieden.
»Menschen sind verletzt!« Ihr Blick flog zu den Terminals, wo ihre Studenten und Techniker vom Entsetzen übermannt waren oder in den Stühlen hingen. »O Gott – Cassie!«
Cassie, der reizenden Studentin, war ein Teil des Schädels weggeschossen worden.
Sue schloss die Augen, und wir zerrten sie aus der Kälte. Morris sprach eindringlich in sein Sprechfunkgerät, während ich die Handfläche auf die blutende Wunde drückte.
Zu dem Zeitpunkt waren die Ambulanzen des Hadassah Mt. Sinai bereits unterwegs und balancierten auf dem Eisschorf, der sich noch immer auf der Lehi-Straße hielt.
Im Foyer des
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