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Die Chronolithen

Die Chronolithen

Titel: Die Chronolithen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Gratis-Terminal und einem Fenster, das auf den Parkplatz ging.
    Ich war todmüde, wollte aber erst noch mit Janice reden.
    Whit meldete sich. »Scott«, sagte er herzlich, aber freudlos. Er schien selbst Schlaf zu brauchen. »Ich nehme an, es ist wegen Kaitlin. Leider wissen wir immer noch nicht mehr. Die Polizei scheint davon auszugehen, dass sie immer noch in der Stadt ist, also sind wir vorsichtig optimistisch. Mehr können wir im Moment auch nicht tun.«
    »Danke, Whit, aber ich möchte jetzt mit Janice sprechen.«
    »Es ist spät. Sie braucht Ruhe, Scott.«
    »Ich werde es kurzmachen.«
    »Also gut«, sagte Whit und entfernte sich vom Terminal. Augenblicke später zeigte sich Janice, sie war im Nachthemd, aber offensichtlich hellwach.
    »Scotty«, sagte sie. »Ich habe versucht, dich zu erreichen, aber du warst nicht zu Hause.«
    »Ja, ich bin in der Stadt. Können wir uns morgen treffen und die Sache bereden?«
    »Du bist in der Stadt? Du hättest nicht extra kommen müssen.«
    »Finde ich doch, Janice. Kannst du dich für eine Stunde freimachen? Ich kann vorbeikommen oder…«
    »Nein«, sagte sie. »Wir treffen uns irgendwo. Wo übernachtest du?«
    »Hier ist es auch nicht so gut. Wie wär’s mit dem kleinen Steakhaus in Dukane, kennst du das?«
    »Ich glaube, es hat noch auf.«
    »Um zwölf?«
    »Sagen wir um eins.«
    »Und versuch zu schlafen«, sagte ich.
    »Du auch.« Sie zögerte. »Es sind jetzt vier Tage, Scotty. Vier Nächte. Ich muss die ganze Zeit an sie denken.«
    »Morgen reden wir«, sagte ich.

 
ELF
     
     
    Das Videofenster ersetzt keine leibhaftige Begegnung. In den letzten Monaten hatte ich Janice sechs- oder siebenmal angerufen, doch ich hätte sie fast nicht erkannt, als sie durch die Tür kam.
    Was sie so verändert hatte, war vermutlich die Kombination aus Wohlstand und Angst.
    Whit hatte trotz des wirtschaftlichen Abschwungs Erfolg gehabt. Janice trug ein unverkennbar teures blaues Tweedkostüm mit kurzer Jacke, sah aber aus, als hätte sie in den Kleiderschrank gelangt und die Sachen vom Bügel gerissen – Kragen verdreht, Taschen nicht zugeknöpft. Die Augen waren gerötet, die Haut darunter geschwollen und grau.
    Wir umarmten uns herzlich, aber neutral, und sie setzte sich mir gegenüber.
    »Nichts Neues«, sagte sie. Sie fingerte an ihrer Handtasche herum, in der sich zweifellos das Handy befand. »Die Polizei will anrufen, wenn sich irgendwas ergibt.«
    Sie bestellte einen Salat, den sie nicht anrührte, und eine Margarita, die sie zu hastig trank. Es hätte schön sein können, über etwas anderes zu reden, doch wir wussten, weshalb wir hier waren. Ich sagte: »Du musst die ganze Sache noch mal mit mir durchgehen. Kommst du damit klar?«
    »Ja«, sagte sie, »ich denke schon, aber, Scott, du musst mir sagen, was du vorhast.«
    »Was ich vorhabe?«
    »Ja – ich meine, es liegt jetzt in den Händen der Polizei, und es könnte ein Problem geben, wenn du dich zu sehr einmischst.«
    »Ich bin ihr Vater. Ich denke, ich habe ein Recht darauf, zu erfahren, was los ist.«
    »Zu erfahren, ja sicher. Aber mehr auch nicht.«
    »Ich habe nicht vor, mich einzumischen.«
    Sie lächelte matt. »Warum überzeugt mich das so wenig?«
    Ich wollte eine Frage stellen, doch Janice sagte: »Nein, warte eine Minute. Du sollst das hier haben.«
    Sie griff in die Handtasche und reichte mir einen Manila-Umschlag. Ich machte ihn auf und fand ein ziemlich neues Foto von Kaitlin. Janice hatte es auf glänzendes Material ausgedruckt; ein klares, fesches Bild.
    Kait war groß für ihre sechzehn Jahre und unbestreitbar hübsch. Das Schicksal hatte ihr den Fluch der Akne erspart und, so ausgeglichen wie sie wirkte, auch die pubertäre Unsicherheit. Melancholisch, aber gesund sah sie aus.
    Einen Moment lang verstand ich nicht, was an diesem Bild so ungewöhnlich war. Dann fiel es mir auf. Kait trug das lange aschblonde Haar zu einem Zopf nach hinten geflochten, so dass ihre Ohren freiblieben.
    Alle beide.
    »Das hast du ermöglicht, Scott. Du sollst wissen, dass ich dir dafür dankbar bin.«
    Die Innenohrprothese war selbstverständlich unsichtbar, aber die kosmetische Arbeit war tadellos. Wie es sich gehörte. Das Ohr war nicht künstlich; genetisch war es von ihr, aus ihren Stammzellen gezüchtet. Es waren keine Narben zu sehen bis auf eine feine verblasste Naht. Unsicher war sie aber noch Jahre nach der Operation gewesen.
    »Als der Verband entfernt wurde, war alles noch rosarot, aber perfekt, weißt du? Wie

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