Die Clans des Alpha-Mondes: Roman
hättest du mich also wieder zur Existenz gezwungen. Welch toller Service…
»Ich habe schon viele Leben gerettet.« Joan streckte eine Hand aus. »Kann ich auch eine Zigarette haben?«
Er gab ihr eine, steckte sie an und empfand – wie üblich – Schuldgefühle wegen seines Versäumnisses.
»Was machen Sie denn so?« fragte Joan.
Zögernd – nicht, weil es geheim gewesen wäre, sondern weil er ziemlich unten auf der Leiter der öffentlichen Wertschätzung stand -* beschrieb er seine Tätigkeit beim CIA. Joan Trieste hörte aufmerksam zu.
»Dann sorgen Sie also dafür, daß die Regierung nicht abstürzt«, sagte sie mit einem erfreuten Lächeln. »Wie schön!«
»Danke«, sagte Chuck entzückt.
»Genau das tun Sie! Man muß es sich nur mal überlegen: Genau in diesem Moment sprechen Hunderte von Simulacren in der ganzen kommunistischen Welt Ihre Worte und halten die Menschen an den Straßenecken und im Dschungel auf…« Ihre Augen funkelten. »Und ich tue nicht mehr, als der Ross-Polizei zu helfen.«
»Es gibt ein Gesetz«, sagte Chuck, »das ich das Dritte Rittersdorfsche Gesetz der Herabsetzung nenne. Es besagt, daß man sich proportional zu der Zeit, die man in einem Job verbracht hat, einbildet, daß er zunehmend weniger Wichtigkeit im Lauf der Dinge einnimmt.« Er lächelte sie nun auch an. Das Leuchten ihrer Augen und das Funkeln ihrer weißen Zähne machten es ihm leicht. Er vergaß allmählich die Last, die auf seinen Schultern ruhte; und das gleiche galt für die verzweifelte Stimmung, die er noch vor einer Weile verspürt hatte.
Joan lief durch die Wohnung. »Werden Sie viel von Ihren persönlichen Dingen herbringen? Oder wollen Sie einfach alles so lassen, wie es ist? Ich helfe Ihnen bei der Ausstattung; Lord Flieh-den-Geiz wird Ihnen auch helfen, soweit er kann. Am Ende des Korridors wohnt eine Lebensform aus geschmolzenem Metall. Sie kommt vom Jupiter und heißt Edgar. Edgar hält zwar gerade seinen Winterschlaf, aber wenn er wieder auf wacht, wird auch er aushelfen wollen. Und in der Wohnung links von Ihnen wohnt ein marsianischer Hexenvogel; Sie wissen schon, die mit dem bunten Kopfschmuck… Er hat zwar keine Hände, aber er kann Gegenstände mittels Psychokinese bewegen. Er wird ebenfalls helfen; nur nicht heute, da brütet er. Er sitzt auf einem Ei.«
»Gott«, sagte Chuck, »was für ein polygenetisches Gebäude.« Er war ein bißchen außer Fassung.
»Und auf der Etage unter Ihnen«, sagte Joan, »wohnt ein Faulquorz vom Callisto. Er schlängelt sich um meist die Dreistufen-Etagenlampe, die in diesen Silos zur Standardausrüstung gehört… ein Modell von 1960. Er wacht auf, sobald die Sonne untergeht; dann geht er raus und kauft sich was zu essen. Den Schimmelschleim haben Sie ja schon kennengelernt.« Sie saugte energisch – und ein bißchen linkisch – an ihrer Zigarette. »Mir gefällt es hier; man trifft hier alle möglichen Lebensformen. Vor Ihnen hat ein Venusmoos hier gewohnt. Ich habe ihm einst das Leben gerettet; es war ausgetrocknet… Venusmoose müssen nämlich feuchtgehalten werden. Aber dann erwies sich das Klima in Marin County als zu trocken, und so ist es schließlich nach Oregon gezogen, weil’s da immer regnet.« Joan Trieste drehte sich um und musterte ihn. »Sie sehen aus, als hätten Sie eine Menge Ärger hinter sich.«
»Es war kein richtiger Ärger. Nur eingebildeter. Von der Art, der man sich nicht entziehen kann.« Und er dachte: Ärger der Art, in den ich gar nicht erst verwickelt worden wäre, hätte ich meinen Kopf benutzt. Ich hätte sie gar nicht erst heiraten sollen.
»Wie heißt Ihre Frau?«
Überrascht sagte er: »Mary.«
»Bringen Sie sich nicht um, weil sie Sie verlassen hat«, sagte Joan. »In ein paar Monaten – vielleicht schon in ein paar Wochen – werden Sie sich wieder wohl fühlen. Jetzt fühlen Sie sich wie die Hälfte eines Organismus, den man auseinandergerissen hat. Binärspaltungen tun immer weh; ich weiß es von einem Protoplasma, das mal hier gewohnt hat… Jedesmal, wenn es sich teilte, hatte es Schmerzen. Aber es mußte sich teilen, weil es wachsen mußte.«
»Ich glaube, Wachstum schmerzt.« Chuck stellte sich an das Bildfenster und warf einen erneuten Blick auf die Fußgänger Laufwege, Wagen und Jet-Gleiter. Er war ihnen schon so nahe gewesen…
»Dies hier ist kein übler Platz zum Wohnen«, sagte Joan. »Ich weiß es; ich habe schon fast überall gewohnt. Natürlich kennt bei der Ross-Polizei jeder den
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