Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Clans von Stratos

Die Clans von Stratos

Titel: Die Clans von Stratos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
Vom Netzwerk:
umspannte.
    Wenn doch jemand von dort ein Seil herablassen könnte, phantasierte sie mehr oder weniger ironisch.
    Die Verzweiflung führte zu einer Eingebung.
    Könnte ich vielleicht eins hinaufwerfen?
    Bestenfalls war es ein Risiko. Selbst wenn sie es schaffte, das Seil so zu schwingen, wie sie es sich vorstellte, brauchte sie immer noch etwas, was ihr als Haken diente. Es durfte auch nicht hinderlich sein, wenn sie das Seil die Wand entlang pendeln ließ, es mußte Schwung geben, um hochzufliegen und sich – wenn alles gutging – im Geländer dort oben verhaken.
    Über den letzten Nachteil wollte sie lieber nicht nachdenken – daß sie nämlich ihr ganzes Gewicht einer solchen Konstruktion anvertrauen konnte. Eins nach dem anderen, dachte sie.
    Wieder in ihrer Zelle hatte sie damit angefangen, ihren Vorrat an Notizbüchern auseinanderzureißen, um an die federartigen Klammern zu kommen, die die losen Seiten festhielten. Vielleicht kann ich ein paar davon so präparieren, daß sie aufspringen, wenn sie an das Geländer prallen…
    Die praktische Umsetzung erwies sich als äußerst schwierig. Zuerst mußte sie die Klammern herausreißen und sie dann mit Hilfe eines Holzstücks in die gewünschte Form biegen. Dann band sie ein paar davon zusammen ans Ende ihres Seils und übte auf dem Fenstersims, bis sie einigermaßen sicher war, daß der Haken zwei von drei Mal fassen würde. Das kurze Stück Seil, das sie zur Probe benutzte, hielt ihr Gewicht tatsächlich aus, aber ihr Leben dieser improvisierten Vorrichtung anzuvertrauen, schien wahnsinnig oder verzweifelt oder eher beides.
    Maia band eine Fadenschlinge um die Klammern, so daß sie ein kompaktes Bündel bildeten und nicht klapperten und rasselten, wenn sie das Seil vor und zurück schwang. Im Idealfall sollte es beim Aufprall auf dem Balkon aufspringen und nicht in einem ungünstigen verfrühten Moment. Schließlich kroch sie mit einem Bündel Vorhangstoff zum Auspolstern und einem Brett mit einer Kerbe als Angelrute wieder ins Fenster. Nachdem sie sich niedergelassen hatte, ließ sie das Seil vorsichtig hinab.
    Das Ende war kaum zu sehen, wenn es einfach herabhing, aber als Maia das Pendel in Bewegung setzte, konnte sie den provisorischen Greifhaken sehen, wenn er an einem kleinen Schneefleck auf der Prärie vorbeischwang. Bald pendelte er so hoch, daß er den Blick auf eine niedrige weiße Wolkenbank und einen der östlichen Monde verdeckte.
    Vor und zurück… vor und zurück. Obwohl Maia es so eingerichtet hatte, daß das Brett das meiste Gewicht trug, wurden ihre Arme bereits müde, als sie das Seil so weit hatte, daß es horizontal schwang, parallel zu den Fensterschlitzen der Lagerräume. Ihr Herz stockte jedesmal, wenn das Klammerbündel irgendeinen Vorsprung berührte, und sie gezwungen war, sich noch weiter hinauszubeugen, damit es auf dem Weg zurück nicht daran hängenblieb.
    »Komm schon, das kannst du noch besser!« Das hatte Leie oft gesagt, damals, als sie viereinhalb waren und nachts aus dem Fenster stiegen, um Mütterstatuen blau anzumalen. Nachdem zum dritten Mal ein steinernes Denkmal im Sommerhof verunstaltet worden war, hatten die Clanmatriarchinnen alle Türen zum Hof verriegelt und Markierstaub um die Monumente gestreut, um Spuren der Übeltäter zu bekommen.
    Doch die Vorfälle hörten nicht auf.
    »Ich tue mein Bestes!« hatte Maia in der Nacht des letzten Vorstoßes Leie wütend angefaucht. Verzweifelt umklammerte sie das eine Ende eines Seils aus Bettüchern, an dessen anderem Ende ihre Schwester hing. Bei früheren Unternehmungen war es viel leichter gewesen, Leie mitsamt Pinsel und Farbeimer vom Dach herunterzulassen, weil es zinnenartige Ornamente gegeben hatte, deren Hebelwirkung sie ausnutzen konnte. Aber dieses letzte Mal war sie einzig und allein auf ihre präpubertären Muskeln angewiesen, um gegen das unerbittliche Ziehen der Schwerkraft anzukämpfen.
    Jetzt, über ein Jahr später, da sie mit einem Gewicht zu kämpfen hatte, das wie ein Fisch an der Angel zappelte, stöhnte Maia wieder: »Ich… tue… mein Bestes!« Ihr Atem ging pfeifend, doch sie gab nicht auf, sondern versuchte, dem Pendel, das einfach nicht über die Horizontale hinaus steigen wollte und mit jeder Bewegung nach unten gnadenlos an Maias brennenden Schultern zerrte, mehr Schwung aufzuzwingen.
    Als man die Zwillinge am nächsten Tag verhört hatte, hatte Leie beteuert, allein gehandelt zu haben. Sie weigerte sich, Maia zu verpetzen, obwohl jedem klar war,

Weitere Kostenlose Bücher