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Die Clans von Stratos

Die Clans von Stratos

Titel: Die Clans von Stratos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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vielleicht hatte sie es so eingerichtet, daß Maias Sturz in den Tod aussah wie ein Fluchtversuch.
    Der Gedanke verschwand, als Maia erkannte, daß sie gar keine Wahl hatte.
    Also stemmte sie die Füße gegen die Mauer, streckte die Beine und machte sich bereit zu klettern, während sie sich Hand über Hand an dem Seil hochzog. Doch da spannte sich das Seil, und zu ihrer Verblüffung merkte sie, wie sie hochgezogen wurde, direkt und blitzschnell. Da oben muß eine ganze Gruppe sein, überlegte sie. Oder ein Flaschenzug.
    Während der Balkon rasch näherkam, bemühte sich Maia, ein möglichst gelassenes Gesicht aufzusetzen, denn falls es doch Tizbe und die Wärterinnen waren, die sie da oben erwarteten, wollte sie sich nichts anmerken lassen. Ich werde mich wehren, beschloß sie. Ich reiße mich los und liefere ihnen eine Hetzjagd, die sie so schnell nicht vergessen werden.
    Arme griffen nach ihr und hievten sie über die Balustrade… und mit Maias Fassung war es dahin, als sie sah, wer ihr geholfen hatte.
    »Kiel! Thalia!«
    Ihre früheren Mitbewohnerinnen aus der Lerner-Feste strahlten, während sie Maia von dem Strick befreiten. In Kiels dunklem Gesicht funkelten die weißen Zähne. »Da staunst du, was?« flüsterte sie. »Aber du hast doch nicht etwa geglaubt, wir würden dich in diesem perkinitischen Loch verschimmeln lassen, oder?«
    Maia schüttelte den Kopf, überwältigt, daß die beiden tatsächlich an sie gedacht hatten. »Woher habt ihr gewußt, wo ich…?«
    Sie brach ab, als sie merkte, daß sie nicht allein waren. Hinter den beiden Varfrauen stand… ein Mann! In aller Ruhe wand er sich das Seil über die Schulter. Er war bartlos und recht schlank für seine Art und lächelte Maia mit einer Vertrautheit an, die sie ziemlich unverschämt und beunruhigend fand.
    Die Anwesenheit eines Mannes erklärte natürlich, warum sie Maia so rasch emporgezogen hatten, obwohl sie nur zu dritt waren, andererseits warf die Tatsache auch eine Menge Fragen auf… was hatte ein Mann so weit im Landesinneren zu suchen, warum mischte er sich in die Angelegenheiten von Frauen ein?
    Thalia kicherte leise und klopfte Maia auf die Schulter. »Sagen wir mal, wir haben eine Weile gesucht. Wir erklären es dir später. Jetzt ist es höchste Zeit abzuhauen.« Sie wandte sich ab und wollte vorausgehen, aber Maia blieb stehen und wies kopfschüttelnd in die andere Richtung.
    »Noch nicht! Wir müssen noch eine andere Gefangene befreien.«
    Thalia und Kiel sahen erst einander, dann den Mann an. »Ich dachte, es gibt nur zwei«, sagte Thalia.
    »So ist es auch«, antwortete der Mann. »Maia…«
    »Nein. Kommt, ich weiß, wo sie ist. Renna…«
    »Maia. Ich bin Renna.«
    Sie hatte sich bereits umgewandt und war ein paar Schritte den dunklen Korridor hinunter gegangen, aber jetzt blieb sie wie angewurzelt stehen. Maia fuhr herum und starrte an Thalia und Kiel vorbei, die vergnügt grinsten. Der Mann ging auf Maia zu, einen sanft ironischen Ausdruck im Gesicht. Dann hob er den Blick und zuckte die Achseln, und plötzlich erkannte sie ihn. Vor Erstaunen blieb ihr der Mund offenstehen.
    »Ich hätte etwas sagen sollen«, sagte er mit einem seltsamen Akzent. »Ich hatte ganz vergessen, daß hier die Männer das zweite Geschlecht sind. Tut mir leid, wenn ich dich schockiert habe…«
    Maia blinzelte. Vor Verblüffung konnte sie kaum sprechen. »Du bist… ein Mann.«
    Renna nickte. »Ich habe mich jedenfalls immer so gesehen. Obwohl hier auf…«
    »Kommt! Erklär ihr das später!« zischte Kiel.
    Doch Maia rührte sich nicht. »Wovon sprecht ihr denn?« wollte sie wissen. »Wie konntet ihr…?«
    Renna ergriff Maias Hand. »Um die Wahrheit zu sagen, nach deinen Maßstäben bin ich wahrscheinlich nicht mal ein Mensch. Vielleicht hast du schon von mir gehört. In Caria nennen sie mich den Besucher. Oder den Outsider.«
    Eine Wolke verzog sich – oder ein Mond wählte genau diesen Moment, um Rennas Gesicht unvermittelt mit Licht zu übergießen und seine seltsamen Proportionen zu zeigen. Sie waren nicht so extrem anders, daß man auf der Straße stehengeblieben wäre, um ihn anzustarren, wenn man ihn in einem Hafencafé hätte sitzen sehen. Doch wenn man darauf achtete, war der Effekt überwältigend: Das lange Kinn, die breite Stirn – irgend etwas vermittelte den Eindruck, daß er aus einer anderen Welt stammte. Nasenflügel, die geschaffen waren, eine andere Luft zu atmen. Eine Körperhaltung, die er sichtlich nicht auf Stratos gelernt

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