Die Clans von Stratos
gleiche Weise verabschiedeten sich Thalia und Kiel von Kau. Dann trennten sich die Gruppen, und Baltha trieb ihr Pferd in die Mitte des Bachs. Maia und Renna übernahmen die Nachhut und riefen ihren Retterinnen ein Lebewohl zu. Diese waren bereits auf dem schmalen Pfad, der an der Canyonwand emporführte. Eine von ihnen – Maia konnte nicht erkennen, welche – hob die Hand und winkte, dann verschwanden die vier Frauen um eine Biegung.
»Danke«, sagte Maia leise zu Renna, während ihre Pferde durchs Wasser wateten. Ihre Stimme war noch halb erstickt von der ganzen unerwarteten Aufregung.
»He«, meinte der Mann lächelnd. »Wir Ausgestoßenen müssen doch zusammenhalten, oder? Jedenfalls kommst du mir vor wie ein guter Kumpel, einen, den man brauchen kann, wenn man in Schwierigkeiten gerät.«
Natürlich scherzte er schon wieder. Aber Maia merkte, daß mehr dahintersteckte. Anscheinend war er wirklich froh, ja sogar erleichtert, daß sie mit ihm kam.
Eine Weile ritten sie schweigend im Gänsemarsch und ließen die Pferde ihren Weg in dem unebenen Bachbett suchen. Glücklicherweise waren sie im Windschatten. Die umliegenden winterkalten Felsen schienen jede Wärme aus der Luft aufzusaugen. Maia legte die Hände in die Achselhöhlen und zog den Mantel eng um sich; ihr Atem dampfte.
Dennoch war es beruhigend zu wissen, daß mit jeder Minute der Abstand zwischen ihnen und dem Gefängnis größer wurde. Der Fluchtplan war riskant und baute auf die Vermutung auf, daß die Verfolger in Hektik gerieten. Echte Profis – wie beispielsweise der Jägerclan der Sheldons in Port Sanger – würden sich von einem solch simplen Trick nicht an der Nase herumführen lassen. Maia hatte zwar nichts davon gehört, daß die Kunst des Fährtenlesens in Long Valley besonders gepflegt wurde, aber es war trotzdem nur eine vage Annahme.
Selbst wenn sie ihren unmittelbaren Verfolgern entkamen, so blieben sie immer noch von Feinden umringt. Wenige Gegenden auf Stratos waren politisch so homogen wie die extremistische Kolonie in Long Valley; die Heimstätten der verbündeten Perkiniten-Clans erstreckten sich bis nach Grange Head. Wenn die Nachricht sich erst einmal verbreitete, würden sich rasch Banden und Suchtrupps bilden, die von allen Seiten in die Verfolgung eingriffen.
Jetzt glaubte Maia die größeren Zusammenhänge zu verstehen… wie verzweifelt die Perkiniten sein mußten. Es ging um mehr als nur um ihren radikalen Plan, die Droge für die Winterstimulation einzusetzen. Die Matriarchate von Long Valley waren in weit kühnere Machenschaften verwickelt: sie hatten den Weltraumbesucher – Renna – direkt aus den Händen des Regierungsrates in Caria entführt. Ein riskantes Unterfangen, aber man konnte die Chancen auf neuerliche Kontaktaufnahme mit dem Hominidenphylum wohl kaum besser reduzieren, wenn nicht sogar endgültig eliminieren.
Nichts würde den extremen Perkiniten weniger passen, als wenn der Himmel sich öffnet. Wenn Raumschiffe aus den alten Welten regelmäßig zu Besuch kommen. Welten, in denen ›animalische Brunst und sexuelle Tyrannei‹ herrscht. Welten, auf denen die Hälfte der Bevölkerung aus Männern besteht.
Die Hälfte!
Obgleich Maia in Romanen oft darüber gelesen hatte, konnte sie es sich kaum vorstellen. Was, in Lysos’ Namen, konnte eine Welt nur mit so vielen überschüssigen Männern anfangen? Selbst wenn sie sich die meiste Zeit über ruhig und gesittet benahmen, gab es doch nur so wenige Aufgaben, die man einem Mann anvertrauen konnte! Womit sollte man sie beschäftigen?
Eine Kontaktaufnahme würde Stratos für immer verändern, würde es mit fremden Ideen, mit einer fremden Lebensart anstecken. Trotz des Hasses, den Maia denen gegenüber empfand, die sie gefangengenommen hatten, fragte sie sich, ob sie mit dieser Ansicht nicht irgendwie recht hatten.
Als Renna sein Pferd wieder neben sie lenkte, reagierte sie nervös. Aber er lächelte und fragte sie nach dem Namen eines Buschs, der mutig an der Canyonwand wurzelte. Maia vermutete, daß es sich um eine verwandte Art einer Pflanze handelte, die sie im Tempel von Grange Head kennengelernt hatte, aber sie konnte Renna nicht mit Sicherheit sagen, ob es ein einheimisches Gewächs war oder eine biotechnisch veränderte Variante, die die Gründerinnen von der Erde mitgebracht hatten.
»Ich versuche mir vorzustellen, wie eingeführte Lebensformen entworfen wurden, damit sie sich hier integrieren ließen, und wie stark sie sich danach angepaßt
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