Die Clans von Stratos
daß diese Gabe ironischerweise auch ihre schlechten Seiten hatte.
»Ich bin nicht sicher, ob wir uns trennen wollen«, meinte Leie kopfschüttelnd. »Aber wir könnten unser Aussehen verändern. Ich könnte mir die Haare färben…«
»Eure Schiffe fahren doch den ganzen Weg an der Küste entlang im Konvoi, nicht wahr?« mischte sich Maia ein. Der Kapitän nickte. »Dann sind wir nicht lange getrennt«, meinte Maia zu Leie. »Und auf diese Weise bekommen wir Empfehlungen von zwei verschiedenen Kapitänen, statt nur von einem.«
»Aber…«
»Mir gefällt es auch nicht, aber sieh es doch mal von der Seite: Für den gleichen Preis machen wir doppelt so viele Erfahrungen. Außerdem werden wir uns in Zukunft vermutlich öfter einmal trennen müssen. Das ist eine gute Übung.«
Der verblüffte Ausdruck im Gesicht ihrer Schwester sprach Bände. Maia freute sich, daß sie Leie verblüfft hatte – das geschah viel zu selten. Sie hätte nie gedacht, daß ich eine Trennung so leicht hinnehmen würde.
Tatsächlich freute Maia sich darauf, eine Weile allein zu sein, weg von der bestimmenden Persönlichkeit ihrer Schwester. Das ist sicher für uns beide ganz gesund.
Leie verbarg ihre Verlegenheit, indem sie ihren Bierkrug zum Mund hob. Aber schließlich nickte sie und meinte: »Wahrscheinlich spielt es keine Rolle…«
In diesem Moment erhellte ein Blitz ihre Gesichter. Eine funkensprühende Rakete stieg in Spiralen hinter der Hafenfestung in den Himmel, explodierte und tauchte die Docks und Clanfesten in ein Licht, das die Schatten vertiefte und das Licht noch greller erscheinen ließ. Erschrocken blieben die Passanten stehen, während Schattenbilder um sie wirbelten und ein tiefer grollender Ton einsetzte, in die Höhe schrillte und zu einem lauten Heulen wurde, das die Nacht erfüllte.
Maia, ihre Schwester und die beiden Kapitäne sprangen auf. Nur selten bekam man die Sirene von Port Sanger zu Ohren… sie rief die Miliz herbei… und alarmierte die Bürger, sich zur Verteidigung bereit zu machen.
Was sollten unsere Ziele sein, wenn wir eine neue menschliche Rasse erschaffen? Was wünschen wir unseren Nachkommen auf dieser Welt?
Ein langes, glückliches Leben?
Nicht schlecht. Doch trotz der Wunderwerke unserer Technik könnte sich herausstellen, daß gerade dieser Wunsch schwer zu verwirklichen ist. Vor langer Zeit haben Darwin und Malthus auf das grundlegende Paradox des Lebens hingewiesen – daß jede Spezies von Natur aus dazu neigt, sich zu stark zu vermehren – sogar den Garten Eden mit so vielen Nachkommen zu füllen, daß er aufhört, ein Paradies zu sein.
In ihrer Weisheit hat die Natur dieser opportunistischen Tendenz eine Reihe von Hindernissen entgegengesetzt. Raubtiere, Parasiten und die Zufallsmacht des Schicksals hielten den Exzeß in Schranken. Für die Überlebenden, für jede neue Generation gab es eine Belohnung – die Chance auf eine neue Runde im Spiel des Lebens.
Dann kamen wir Menschen. Als geborene Querulanten rotteten wir sämtliche Raubtiere aus, die es auf uns abgesehen hatten, und wir bekämpften die Krankheiten. Mit wachsendem Moralbewußtsein verpflichtete sich die menschliche Gesellschaft schließlich dazu, den mörderischen Konkurrenzkampf zu unterbinden, und garantierte allen ein ›Recht auf Leben und Erfolg‹.
Rückblickend wissen wir, daß auf der armen Mutter Terra trotz bester Absichten schreckliche Fehler gemacht wurden. Ihrer natürlichen Kontrollfunktionen beraubt, wurde sie vom enormen Bevölkerungswachstum unserer Vorfahren buchstäblich überwältigt. Aber ist die einzige Alternative eine Rückkehr zum Gesetz vom Recht des Stärkeren? Steht uns diese Möglichkeit überhaupt offen?
Es gibt genügend freie Intelligenz in der Galaxis. Macht liegt in unseren Händen, ob wir es wollen oder nicht. Wir können die Naturgesetze beeinflussen, wenn wir es wagen, aber wir dürfen ihre Lektionen nicht ignorieren.
- aus Die Apologie, von Lysos
Kapitel 2
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Ein stechender Brandgeruch. Ein qualmender Aschenebel, der von glimmenden Planken aufstieg. Gehißte Notflaggen am Kreuzmast eines halb zerstörten Schiffes, das sich mühsam in den schützenden Hafen schleppte. All diese Eindrücke wurden um so eindringlicher, als der Vorfall bei Nacht stattfand, beim Licht des größeren Monds, Durga, der seine bleichen Strahlen über das schaumige Wasser von Port Sangers Hafenbucht schickte.
Unter dem grellen Licht der Suchscheinwerfer, die von den hohen Mauern der
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