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Die Clans von Stratos

Die Clans von Stratos

Titel: Die Clans von Stratos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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Wotan schon beladen und zum Auslaufen bereit lagen, musterte Maia ihre Zwillingsschwester verstohlen. Trotz ihrer typischen, prahlerisch zur Schau getragenen Tapferkeit sah Leie plötzlich ebenso jung und unerfahren aus, wie Maia sich fühlte.
    Aber es ist unsere Zeit, überlegte Maia nüchtern. Wir sollten uns lieber darauf einrichten.
     
    Die Anziehung des Mondes hatte lediglich einen bescheidenen Effekt auf die riesigen Ozeane von Stratos. Dennoch setzte man traditionsgemäß die Segel lieber bei Durga-Flut. Nach der Aufregung der Nacht war die Abfahrt vor der Morgendämmerung für Maia weit weniger eindrücklich, als sie erwartet hatte. All die Jahre hatte sie sich vorgestellt, wie sie auf Port Sangers schroffe Gebäude aus rosafarbenem Stein zurückblicken würde – auf schloßartige Clanfesten, über den Hang verstreut wie Adlerhorste –, wie ein Schwall schwindelerregender Gefühle sie überfluten würde, während sie das Land ihrer Kindheit verschwinden sah, vielleicht für immer.
    Doch sie hatte gar keine Zeit, um über den denkwürdigen Moment zu sinnieren. Die Bootsmänner brüllten barsch ihre Befehle, und mehrere andere ungeschickte Landratten eilten herbei, um die Taljereeps einzuholen und die Segel zu setzen. Als Ergänzung zur Dauerbesatzung waren neben Maia noch mehr als ein Dutzend Vars an Bord, ›Passagiere zweiter Klasse‹, die arbeiten mußten, um zur Bezahlung ihrer Überfahrt beizusteuern. Obwohl man in Lamatia für die Sommerlinge ein strenges Curriculum durchführte, das auch eine Menge harte Arbeit und körperliche Ertüchtigung umfaßte, merkte Maia bald, daß sie hier an die Grenzen ihrer Belastbarkeit stieß.
    Wenigstens ließ die beißende Kälte nach, als die Sonne etwas höher stieg. Bald waren die Ledersachen abgelegt, und sie arbeitete nur in Lendenschurz und Mieder. Dank der Schwüle war sie bald schweißgebadet, aber das war ihr wesentlich lieber, als zu frieren.
    Als sie endlich einen Moment der Ruhe hatte, um zurückzuschauen, verschwand die Landzunge von Port Sanger gerade hinter einer Nebelbank. Die uralte Festung auf dem südlichen Steilufer, zur Zeit von einem schmalen Baugerüst umgeben, versank im Dunst und war bald ganz außer Sicht. Wie ein geheimnisvoller grauer Obelisk ragte der Leuchtturm des Reservats am anderen Ufer auf, ehe auch ihn niedrige Wolken einhüllten. Übrig blieb der endlose eisfleckige Ozean, der nun Maias geschrumpfte Welt aus Holzplanken, Tauen und Kohlenstaub umgab.
    Viele Stunden, so erschien es Maia, rannte sie hierhin und dorthin, wohin die Matrosen sie eben schickten, lockerte, zog und knotete auf Befehl die groben Taue. Bald waren ihre Handflächen rauh, und ihre Schultern schmerzten, aber sie lernte einiges, beispielsweise, ein Taljereep nicht allein dadurch zu bremsen, daß sie es festhielt. Der Versuch, ein loses Tau nur mit Gewalt zu bändigen, konnte leicht damit enden, daß man in ein Schott oder gar über Bord geschleudert wurde. Durch Beobachtung lernte Maia, erst eine Länge Trosse in einem lockeren Knoten um einen Pfahl zu legen und dann die Spannung des Taus dafür sorgen zu lassen, daß es sich von selbst festzog.
    Natürlich war damit das umgekehrte Problem noch nicht gelöst, nämlich, wie man das verdammte Ding wieder aufkriegte, wenn die Matrosen aus irgendeinem Grund einen Durchhang brauchten. Nachdem Maia zweimal um ein Haar quer übers Gesicht gepeitscht worden wäre, nahm sich endlich einer der Matrosen die Zeit und zeigte ihr die sachgerechte Handhabung.
    »Erst so und dann so«, erklärte ihr ein drahtiger Mann, der nicht größer war als Maia, ohne jedes Anzeichen von Ungeduld. Ungeschickt versuchte sie die fließenden Bewegungen seiner geübten Hände nachzumachen. »Du wirst’s schon schaffen«, meinte der Mann ermutigend, rannte dann aber eiligst davon, da eine andere Landratte sich mit dem Bein in einer Tauschlinge verfangen hatte und über die Seite geschleppt zu werden drohte.
    Na ja, ich hab mir eine Ausbildung gewünscht. Jetzt begriff Maia, warum einer bemerkenswerten Anzahl der Männer, die sie in ihrem Leben kennengelernt hatte, ein oder sogar zwei Finger fehlten. Wenn man nicht aufpaßte, konnte sich bei einem Windstoß, der einen beim Knotenschlingen zum falschen Zeitpunkt erwischte, ein Tau so abrupt zusammenziehen, daß ein Körperteil einfach abgeschnürt wurde. Nach dieser Erkenntnis, die ihr ein ausgesprochen unangenehmes Gefühl in der Magengegend verursachte, zwang sich Maia, langsam zu arbeiten

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