Die Clans von Stratos
seltsame Blüten trieben.
… So zu schützen Gründergaben
Und zu erinnern stets aufs neu’,
An das Schicksal, das wir haben,
Rettet euch vor Mannes Reu’.
Danach sprach kaum jemand mehr. Das Feuer brannte nieder. Die Abenteurerinnen von morgen begaben sich eine nach der anderen zu Bett. Auf dem Rückweg vom Toilettenbereich ging Maia an Brods Hütte vorbei, die abseits von allen anderen lag, und sagte ihm Gute Nacht. Dann setzte sie sich wieder an die Feuerstelle und sah zu, wie die durchgebrannten Holzstücke aufleuchteten und wieder dunkel wurden, wenn der Wind sie anfachte. Dort blieb sie, während um sie herum alles ruhig wurde.
Ein Stück weit weg in Richtung Wald hob Naroin den Kopf. »Kannst du nicht schlafen, Schneeflocke?«
Maia antwortete mit einem Achselzucken, was heißen sollte, Naroin möge sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. Tatsächlich verstand sie den Wink, zog die Augenbrauen hoch und drehte sich um. Schon bald hörte man leises Schnarchen von den verstreuten Schatten ringsum, die Maia nur als vage Umrisse erkennen konnte. Die Kohlen glommen nur noch schwach, die Finsternis senkte sich herab. Zwischen den niedrigen Wolken wurden die Konstellationen sichtbar. Doch die Bewölkung verdichtete sich.
Da sie nun nicht mehr von den Sternen abgelenkt wurde, beobachtete Maia, wie der Wind mit der Asche spielte. An einer Stelle wallte sie plötzlich auf, versprühte noch ein paar letzte Funken und kam ebenso plötzlich wieder zur Ruhe. Allmählich erkannte sie, daß die Muster von Hell und Dunkel durchaus nicht zufällig waren. Je nach Zustand des Brennstoffs, ja nach Zufuhr von Luft und Hitze gab es ein permanentes Hin und Her. Eine Zone wurde dunkel, weil ihre Umgebung erhellt wurde und den ganzen Sauerstoff verbrauchte, dann umgekehrt. Noch ein Beispiel, das in gewisser Weise mit einem ökologischen System vergleichbar war. Oder mit einem Spiel. Einem fein strukturierten Spiel mit ganz eigenen, komplexen Regeln.
Die Muster waren wunderschön. Wieder hatte Maia das Gefühl, in Trance zu verfallen. Doch sie widerstand der Versuchung. Ihre Aufmerksamkeit wurde anderswo gebraucht.
Leise nahm Maia einen Stock und schob eins der stärker glühenden Holzreste in ihre Tasse. Diese bedeckte sie mit einem kleinen, angeschlagenen Teller, den die Freibeuter dagelassen hatten, und wartete. Eine Stunde verstrich, in der sie an Leie, an Renna und an die Ballade der Könige dachte… und vor allem daran, ob sie vielleicht doch dumm war, daß sie sich so über einen Verdacht erhitzte, der auf nichts als purer Logik beruhte, ohne jeglichen zusätzlichen Beweis.
Schließlich setzte sich jemand neben sie.
»Tja, morgen ist also der große Tag.«
Die Stimme war leise, fast ein Flüstern, damit die anderen nicht aufwachten. Aber Maia erkannte sie, ohne aufzusehen. Hab ich mir’s doch gedacht, stellte sie im stillen fest, während Inanna links von ihr in die Hocke ging.
»Wie kommt es, daß du nicht schlafen kannst, wo du doch hierbleibst?« fragte die große Matrosin in beiläufigem, freundlichem Ton. »Wirst du uns sehr vermissen?«
Maia warf der Frau, die ihr übermäßig entspannt erschien, einen raschen Blick zu. »Ich vermisse meine Freunde immer.«
Inanna nickte heftig. »Ja, wir müssen uns unbedingt eine Möglichkeit ausdenken, wie wir in Kontakt bleiben und uns irgendwann wieder treffen können – was zusammen trinken und die Leute mit unserer Geschichte faszinieren.« Verschwörerisch beugte sie sich zu Maia. »Wo wir gerade dabei sind, ich hab da was, falls du einen Schluck probieren möchtest.« Damit zog sie eine schmale Flasche hervor, in der eine Flüssigkeit schwappte. »Die lysosverdammten Seeräuber haben sie vergessen. Hast du Lust, einen Schluck zu versuchen? Um allen Streit zu vergessen?«
Maia schüttelte den Kopf. »Lieber nicht. Alk steigt mir so schnell zu Kopf. Dann tauge ich bei dem Start morgen früh zu nichts.«
»Wenn du die ganze Nacht unruhig bist, taugst du auch zu gar nichts.« Inanna schraubte den Verschluß ab, und Maia sah zu, wie sie einen großen Schluck nahm. Dann wischte sie sich den Mund ab und hielt Maia die Flasche unter die Nase. »Ah! Das Zeug ist gut, glaub mir. Da wachsen einem Haare, wo sie hingehören, und fallen aus, wo keine sein sollen.«
Widerwillig nahm Maia die Flasche und roch an dem starken Gebräu. »Na ja… einen Schluck.« Sie kippte die Zinnflasche und ließ ein paar Tropfen in ihre Kehle rinnen. Der Hustenanfall, der folgte,
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