Die Clans von Stratos
nur mit den vertrauenswürdigsten Leuten. Man begegnete einem Floß, das mehr oder weniger hilflos auf den Wellen schaukelte. Man brauchte nicht einmal zu kämpfen. Ein paar Steine genügten. Und schon war es spurlos verschwunden. Schade…
In Maias Innerem kochte die Wut und vertrieb die letzten Spuren eines Alkoholrausches. Sie stellte sich schlafend, beobachtete jedoch unablässig durch halb geschlossene Augen Inannas dunkle Gestalt und wartete darauf, daß sie sich endlich bewegte.
Vielleicht wäre es besser gewesen, sie hätte ihren Verdacht auf subtilere Art überprüft, indem sie mit allen anderen zu Bett ging und sich dann hinter einem Baum versteckte, um Wache zu halten. Aber das hätte womöglich die halbe Nacht in Anspruch genommen. Maia hatte kein allzu großes Vertrauen in ihr Konzentrationsvermögen und ihre Fähigkeit, sich wachzuhalten. Was, wenn es Stunden dauerte? Was, wenn sie sich irrte?
Besser, den Spion frühzeitig auffliegen zu lassen. Ursprünglich hatte Maia vorgehabt, so zu tun, als wollte sie die ganze Nacht aufbleiben. Das wäre für die Seeräuberspionin eine ärgerliche Störung gewesen, sie wäre vielleicht in Panik geraten und möglicherweise früher als geplant aktiv geworden.
Und es funktionierte. Jetzt hatte Maia eine Zielperson, die sie beobachten konnte. Ihre Konzentration war beflügelt durch das Bewußtsein, daß sie richtig gelegen hatte.
Doch die dunkle Form rührte sich nicht. Die Zeit schien stehenzubleiben. Sekunden, Minuten krochen vorüber. Maias Augen juckten vor Anstrengung. Es war schwierig, den sich kaum von der Dunkelheit abhebenden Schatten permanent zu fixieren. Sie schloß abwechselnd das eine, dann das andere Auge. Der Schatten verharrte regungslos.
Rauch von den glimmenden Kohlen wehte zu ihr herüber. Damit ihre Augen nicht ganz eintrockneten, mußte sie eine Weile beide schließen.
Als Maia die Augen wieder aufschlug, wäre sie fast in Panik verfallen. In den letzten – waren es Sekunden oder Minuten gewesen? – hatte sie da womöglich nicht aufgepaßt, war sie sogar eingedöst? Sie starrte in die Finsternis und versuchte herauszufinden, ob sich auf der anderen Seite des Lagers etwas verändert hatte. Ihre Unsicherheit wuchs. Vielleicht war es gar nicht diese verschwommene Form, die sie beobachten wollte, sondern eine andere. Sie hatte ihr Ziel verloren! Wenn doch wenigstens ein Mond am Himmel gewesen wäre!
Oder wenn ich wenigstens wüßte, welches Signal sie benutzen will. Das war das eigentliche Ziel von Maias endlosen Rundgängen um die Insel gewesen, bei denen sie angeblich den Gezeitenwechsel studiert hatte. Sie hatte ihre Nase unter jeden Holzklotz und in jede Felsspalte gesteckt. Unglücklicherweise war sie auf nichts gestoßen, womit man ein Signal hätte geben können, und jetzt mußte sie einen Entschluß fassen. Sollte sie noch ein bißchen abwarten? Oder in den Wald schleichen und eine Spionin suchen, die womöglich schon einen großen Vorsprung hatte?
Verdammt. Kein Mensch hat soviel Geduld. Inzwischen muß sie aufgestanden sein.
Na, dann mal los…
Gerade wollte Maia die Decke zurückschlagen, als sich der Schatten bewegte! Sofort hielt sie inne. Ein Geräusch war zu hören, viel leiser als Brods Schnarchen. Gespannt beobachtete Maia, wie die Schattengestalt sich erhob und sich langsam in Bewegung setzte. An einer Stelle hob sich die stämmige Frau sogar ganz deutlich gegen die Sterne ab.
Jetzt. So geräuschlos wie möglich schlüpfte Maia aus der Decke und holte darunter die Dinge hervor, die sie vorbereitet hatte. Einen an einem Ende mit trockenen Ranken umwickelten Stock. Ein Steinmesser. Die Tasse mit der noch warmen Kohlenglut. Dann eilte sie auf dem Pfad, den sie sich genau eingeprägt hatte, in den Wald, bis zu einer bestimmten Stelle, wo sie stehenblieb und lauschte.
Da drüben, im Osten! Steine knirschten und Zweige knackten, zuerst ganz leise, dann immer sorgloser, je mehr sich die Distanz zwischen der Spionin und dem Lager vergrößerte. Maia zwang sich, noch ein wenig zu warten und sich zu vergewissern, daß die Frau nicht womöglich in bestimmten Abständen stehenblieb und nach eventuellen Verfolgern lauschte.
Nichts dergleichen. Hervorragend. Vorsichtig, um möglichst wenig Lärm zu machen, stets nach trockenen Zweigen auf dem Waldboden Ausschau haltend, machte sich Maia an die Verfolgung. Der Pfad führte tiefer in den Wald, was erklärte, warum ihre Suche an den Klippen nichts zutage gebracht hatte. Natürlich war
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