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Die Clans von Stratos

Die Clans von Stratos

Titel: Die Clans von Stratos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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großherzig hätte nennen können – und schon gar nicht heldenhaft. Sie hatte instinktiv gehandelt, weiter nichts. Außerdem hatte sie den armen Kerl nicht einmal retten können.
    Doch wie sich zeigte, meinte Naroin gar nicht diesen Teil der Geschichte. »Wie du das mit der Schaufel gemacht hast«, fuhr sie fort, »das war wirklich schlau. Das Schaufelblatt hat eine kleine Höhle gebildet, durch die du atmen konntest. Und als du den Stiel rausgestreckt hast, konnten wir sehen, wo wir graben mußten. Aber verrate mir folgendes – wußtest du, daß wir die Schaufelstiele aus hohlen Bambusstäben machen? Hast du erwartet, daß Luft durchströmen würde?«
    Maia fragte sich, wo Naroin sich im Sommer aufhielt, damit sie nicht zweimal in derselben Stadt bleiben mußte. »Reines Glück, Bootsfrau. Wenn du mehr darin siehst, bist du auf dem Holzweg. Es war lediglich das Glück der Dummen.«
    Naroin zuckte die Achseln. »Ich hab erwartet, daß du das sagen würdest.« Zu Maias Erleichterung ließ sie es dabei bewenden, und Maia verbrachte den Rest der Fahrt schweigend. Als der Kahn an der Hafenmauer entlangtuckerte, auf der eine Reihe handgefertigter hölzerner Kräne zu sehen war, stand Naroin auf und rief: »In Ordnung, Leute, dann mal los! Vielleicht können wir dieses Loch in der Küste vor der Flut hinter uns lassen!«
    Maia wartete, bis das Boot sicher angelegt hatte und die anderen an Land geklettert waren, ehe sie selbst mit ihrer Tasche die Gangway überquerte. Das felsenfeste Dock machte ihr zuerst ein flaues Gefühl im Magen, so, als wäre das Rollen des Schiffs ein natürlicherer Untergrund als eine Felsoberfläche. Da sie sich ihre Schmerzen nicht anmerken lassen wollte, machte sich Maia mit zusammengebissenen Zähnen und ohne einen Blick zurück auf den Weg in die Stadt. Dank ihrer Sonderzulage konnte sie es sich erlauben, eine Weile auszuruhen und sich zu erholen, ehe sie sich wieder Arbeit suchte. Dennoch würden die kommenden Wochen hart werden. Maia würde aufs Meer hinausstarren, und jedesmal, wenn ein Segel um die zerklüfteten Klippen bog, in vergeblicher Hoffnung die Lupe ihres kleinen Sextanten umklammern; sie würde kämpfen müssen, damit die Trauer sie nicht einschloß wie ein Leichentuch.
    »Bis dann, Lamai-Gör!« rief ihr jemand nach – vermutlich die hartgesichtige Var, die sie an jenem ersten Tag auf See so feindselig behandelt hatte. Diesmal klang der Schimpfname nicht beleidigend und war wahrscheinlich sogar ein wenig respektvoll gemeint. Doch Maia hatte nicht die Energie, um entsprechend locker zu antworten, nicht einmal mit der obligatorischen freundlich-obszönen Geste. Sie hatte einfach keine Kraft mehr.
     
    »In früheren Zeiten, in den alten Stämmen, verpflichteten die Männer ihre Frauen und Töchter dazu, einem strengen, männlichen Gott zu dienen. Es war ein rachsüchtiger Gott, der Blitze schleuderte und wohlgeordnete Gesetze erließ, ein Gott, der unermüdlich wütete und donnerte und dann plötzlich in wehmütige, alles verzeihende Sentimentalität verfiel. Es war ein Gott wie die Männer selbst – ein Herr der Extreme. Zänkische Priester legten die endlosen, komplizierten Anordnungen ihres Schöpfers aus. Abstrakte Dispute führten zu Verfolgung und Krieg.
    Wir Frauen hätten ihnen den richtigen Weg weisen können«, so fuhr Lysos angeblich fort. »Wenn die Männer nur mit ihren Streitereien aufgehört und uns nach unserer Meinung gefragt hätten. Die Schöpfung selbst hätte ein Geniestreich sein können, die Grundlage aller Gesetze. Aber sich regelmäßig, Tag für Tag, um die Angelegenheiten der Welt kümmern zu müssen, ist eine vertrackte Angelegenheit, eher vergleichbar mit dem vielfältigen Chaos einer Küche als mit der sterilen Präzision eines Navigationsraums oder eines Studierzimmers.«
    Immer wieder fuhr ein Windstoß in die Seiten des Buches, das Maia las. An die bröckelnde Steinmauer eines Tempel-Obstgartens gelehnt, von dem aus man über die Ziegeldächer von Grange Head blickte, hob Maia jetzt den Blick und beobachtete, wie niedrige Wolken für kurze Zeit das hellgefleckte, friedliche Meer verdunkelten, in dessen grünen Untiefen silberne Fischschwärme unter den flatternden Schatten der Sturzvögel glitzerten. Die vielfältigen, üppigen Farben vermischten sich mit den Düften, die der feuchte, schwere Wind herantrug, eine reichhaltige Mixtur für die Sinne, gewürzt mit den fruchtbaren Ausdünstungen des Lebens.
    Die Schönheit war unnachgiebig, eisern

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