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Die Clans von Stratos

Die Clans von Stratos

Titel: Die Clans von Stratos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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quälten.
    Auf dem Rückweg in dem dumpfigen Aufzugschacht versuchte Leie, ihre Stimmung etwas zu heben, indem sie eine Klatschgeschichte erzählte, die sie am Morgen von einem anderen Varmädchen aus der Stadt gehört hatte. Anscheinend hatten mehrere jüngere Schwestern aus dem Saxton-Clan beim Hafen einen Aufstand veranstaltet und junge Matrosen belästigt, bis die Männer vor lauter Verzweiflung die Guardia riefen und…
    Ein Schwarm dünngefiederter Putenvögel flatterte über die Straße, so plötzlich, daß das Tänzelpferd wieherte und sich aufbäumte. Beruhigend redete Calma Lerner auf das Tier ein und versuchte es zu zügeln. Die Vögel verschwanden in ein Rohrdickicht, ein Rudel Blaßfüchse dicht hinter ihnen.
    Maia blinzelte und hielt ein paar Sekunden die Luft an. Einen Augenblick lang war ihr die Erinnerung lebendiger erschienen als die staubige Gegenwart. Vielleicht erinnerte sie die schwankende Sitzbank an den knarzenden Speiseaufzug. Oder ein anderer unbewußter Reiz, ein Geruch, ein Glitzern in der Dämmerung – irgend etwas Derartiges konnte die unerwünschte Reise in die Vergangenheit herbeigeführt haben.
    Seltsam. Nun, da ihr Gedankenfluß unterbrochen war, hatte Maia plötzlich vergessen, welche pikante Tratschgeschichte Leie ihr an jenem Tag hatte angedeihen lassen, während sie in der Holzkabine zwischen dem Keller und der Speisekammer hingen. Sie wußte nur noch, daß sie laut gelacht und sich die Hand vor den Mund geschlagen hatte, damit man sie nicht im ganzen Haus hörte. Noch Stunden danach hatte ihr der Bauch weh getan, sowohl vom Lachen als auch von der Anstrengung, es zurückzuhalten. Leie krümmte sich so vor Lachen, daß sie den Hebel kaum stillhalten konnte.
    Eine Weinflasche kippte um, zerbrach, und die blutrote Flüssigkeit ergoß sich auf den hölzernen Fußboden. Die purpurne Pfütze breitete sich aus, und mit hörbarem Platschen fielen Tropfen in die Kellergruft hinunter.
    Warum läßt du mich nicht in Ruhe? dachte Maia traurig, schüttelte den Kopf und versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Momentan konnte sie Erinnerungen wirklich nicht gebrauchen. Der Schmerz war wie ein bitterer Geschmack in ihrem Mund.
    Doch es war nicht mehr so eindeutig. Obgleich die erneute Trauer weh tat, schien die Erinnerung an das gemeinsame Lachen einen tieferen Bereich ihres Innern zu durchfluten, als wollte sie die Wunde mit trauriger Freude durchdringen, mit süßem, wehmütigem Trost. Ganz gegen ihren Willen lächelte Maia.
    Vielleicht sind es immer nur Momente, die wir erleben, dachte sie und beschloß, nicht gar zu erbittert Widerstand zu leisten, wenn das nächste Mal eine frohe Erinnerung in ihr aufstieg.
    Calma Lerner hatte eine ganze Weile geschwiegen, vielleicht, weil sie bemerkt hatte, wie versunken ihre Reisegefährtin war. Deshalb zuckte Maia erschrocken zusammen, als sie verkündete: »Wir sind gleich da. Bei der Jopland-Feste. Da drüben, hinter dem Obstgarten.«
    Während Maia ihren Gedanken nachgehangen hatte, war der Nachmittag verstrichen, und jetzt tauchte auf der gegenüberliegenden Seite eines gurgelnden Baches eine ausgedehnte Obstplantage auf. Maia betrachtete die in regelmäßigen Abständen angepflanzten schlanken Stämme, die ein sich permanent veränderndes Gittermuster bildeten. Als der Wagen über eine Holzbrücke ratterte, schien der kultivierte Wald um Maia herum auf einen Schlag in ausgeklügelte geometrische Formen aufzugehen, eine Kristallstudie in lebendem Holz. Das rasch schwächer werdende Tageslicht intensivierte jeden Blickwinkel, denn an Stelle beobachtender Distanz trat ein Gefühl von Unendlichkeit.
    Bald merkte Maia, daß die Bäume mit einer eigenen Beleuchtung ausgestattet waren. Sie blinzelte erstaunt. Das schwache Flackern wirkte zunächst wie eine Dekoration, doch dann wurde Maia plötzlich klar, daß es Leuchtkäfer sein mußten, die die Linien und Schnittpunkte der Plantage mit ihren Paarungsritualen erhellten. Schimmernde Lichtwellen kräuselten sich durch die dichten Alleen. Man konnte sie verfolgen, wie man die parallelen Harmonien einer vierstimmigen Fuge für kurze Zeit voneinander unterscheiden kann… aber nur, indem man sich vollkommen entspannte.
    Später ist das bestimmt ein faszinierender Anblick, dachte Maia und wünschte, sie könnte bleiben und sich für immer in dieser Miniaturgalaxie umhertreiben lassen, in diesem Schwarm von Miniatursternen.
    Schließlich verließ die Straße den Wald und ließ das funkelnde Gitterwerk hinter

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