Die Clans von Stratos
sich. Vor ihnen fiel das beständigere Licht des Mondes auf eine Gruppe hübscher Farmgebäude, unter ihnen ein großes zweistöckiges Haus aus Adobe oder verstärktem Lehm. Antennen reckten sich den wenigen Satelliten entgegen, die hoch am Himmel noch funktionierten.
»Das Heim der Joplands«, erklärte Calma Lerner noch einmal. »Weil es so spät ist, werden sie dich vermutlich in der Scheune unterbringen. So schreiben es die Regeln der Gastfreundschaft vor. Aber wenn du nicht mit den Joplands zurechtkommst, dann mach dir deswegen keine Sorgen. Folge einfach meinen Wagenspuren drei Kilometer nach Südwesten, bieg an der großen Weide rechts ab, geh noch mal zwei Kilometer und dann immer der Nase nach. Die Leute sagen, man riecht die Lerner-Feste, lange bevor man sie erreicht. Hab ich noch nie bemerkt.«
»Danke«, sagte Maia und nickte. »Oh, passiert das leicht? Ich meine, daß man nicht mit den Joplands zurechtkommt.«
Calma zuckte die Achseln. »Früher oder später müssen alle mal nach Jopland, um Rat einzuholen. Da lernt man, die Dinge vorsichtig zu formulieren. Weiter nichts.«
Ohne abzubremsen rumpelte der Wagen durch ein großes Tor in dem Lattenzaun. Maia sprang ab und ging ein paar Meter neben Calma her. »Danke für die Warnung und das Mitnehmen!«
»Keine Ursache. Viel Glück mit deiner Kon-sul-ta-tion!« Die große Frau lachte und winkte Maia zu. Schon bald war der Wagen in einer Staubwolke verschwunden.
Mehrere große Kutschen standen in der Auffahrt vor dem Haus. Eine junge Frau, wahrscheinlich eine Vardienerin, striegelte Pferde an einem Wassertrog. Das muß der soziale Mittelpunkt des Bezirks sein, dachte Maia, während sie an die Tür klopfte. Umgehend erschien ein hünenhafter Lugar, bekleidet mit einer grün-gelb gestreiften Weste, die schon bessere Zeiten gesehen hatte. Die weißpelzige Kreatur neigte den leicht angegrauten Kopf und ließ ein fragendes Miauen hören.
»Eine Bürgerin sucht Rat«, sagte Maia langsam und deutlich. »Ich erbitte die Hilfe der weisen Mütter der Jopland-Feste.«
Der Lugar starrte sie ein paar Sekunden lang an, dann gab er ein kehliges Brummen von sich, drehte sich um und winkte Maia, ihm zu folgen.
Während die Wände außen aus Adobe waren, hatte die Villa innen eine prächtige Vertäfelung aus Hartholz, das hier auf der Hochebene nicht heimisch war. Wandleuchter verbreiteten ein bleiches elektrisches Licht, in dem das Wappen über der Haupttreppe aufdringlich hervortrat: ein Pflug, umgeben von Weizengarben. Wenigstens gibt es keine Statuen, dachte Maia.
Der Lugar führte sie durch zwei massive Schiebetüren in einen helleren Raum, vermutlich die Empfangshalle. Rauchwolken brannten Maia in den Augen, und zu ihrer Überraschung sah sie Männer, ungefähr ein Dutzend, ausgestreckt auf etwas abgenutzten Sofas und Kissen. Sie rauchten langstielige Pfeifen, während vier junge Dienerinnen aus der Küche Krüge mit braunem Bier herbeitrugen. Der Mann, der am nächsten bei der Tür saß, las im Schein einer Lampe ein Buch. Weiter entfernt blickten zwei auf einen flackernden Telebildschirm, auf dem ein Sportwettkampf zu sehen war. In der gegenüberliegenden Ecke brütete eine kleine Gruppe über einem Spiel des Lebens in Kleinformat, mit nur etwa einem Meter Seitenlänge, die gitterartige Oberfläche bedeckt mit winzigen schwarzen, weißen oder purpurroten Vierecken, die unter den konzentrierten Blicken der Spieler klickten und klackten und geheimnisvolle, sich unablässig verändernde Muster auf das Spielbrett zauberten. Die restlichen Männer saßen schweigend da, in Gedanken versunken. Nur wenige von ihnen hatten sich die Mühe gemacht, die Arbeitskleidung abzulegen – die roten, orangefarbenen oder schwarzen einteiligen Uniformen der drei Eisenbahngilden. Maia vermutete, daß sämtliche Männer aus einem Umkreis von sechzig Kilometer sich heute abend in diesem Raum versammelt hatten. Die Clans beginnen zeitig mit der Winterwerbung, dachte sie bei sich.
Bei ihrem ersten Rundblick durch den Raum hatte Maia bereits zwei Männer gähnen sehen. Zweifellos hatten sie einen harten Arbeitstag hinter sich. Aber sie schienen nicht eigentlich müde zu sein, sondern eher etwas gelangweilt.
Sieht aus, als wäre ich zu einem schlechten Zeitpunkt gekommen.
Noch war keine erwachsene Frau anwesend. Außer im Sommer hatten die Männer es gewöhnlich am liebsten, wenn der Abend ruhig und entspannt verlief. Deshalb waren die ausgewählten Joplands vermutlich dabei,
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