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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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dann in das Mikro.
    » Szervusz, szervusz . Meldung von mobiler Einheit siebenundzwanzig. Der amerikai Ebbitt ist im Gellért angekommen. Mikros in Zimmer zwei null drei aktivieren. Ende.«
    » Viszlát «, sagte eine Stimme.
    » Viszlát «, wiederholte der Mann im Skoda.
     
    Die ganze Woche nahm Ebby an ermüdenden Verhandlungen teil, die sich unentwegt im Kreis drehten und keinerlei Erfolge verzeichneten. Die ungarischen Verhandlungsführer schienen sich bei den langen Sitzungen im Außenministerium an eine Art Drehbuch zu halten. Sie leierten endlose Listen von unverschämt hoch taxierten ungarischen Vermögenswerten in Amerika herunter und scheuten sich nicht einmal, einige Dutzend Firmen mit einzubeziehen, die, wie der Wirtschaftsexperte der amerikanischen Delegation klarstellte, längst Konkurs gegangen waren. Als Ebby schließlich argumentierte, dass ein mögliches Entschädigungsabkommen auch die Ansprüche der Amerikaner ungarischer Abstammung berücksichtigen müsse, die ihr Vermögen nach der kommunistischen Machtergreifung in Ungarn verloren hatten, entgegnete der Leiter der ungarischen Delegation lapidar, diese Ansprüche seien laut Gesetz am 31. Dezember 1950 verfallen.
    »Regen Sie sich nicht auf«, sagte der amerikanische Delegationsleiter, ein alter Hase im Umgang mit den Kommunisten, am selben Abend auf einem Botschaftsempfang zu Ebby. »Das ist doch hier nur eine Pflichtübung. Die Vereinigten Staaten denken nicht im Traum daran, einem sowjetischen Satellitenstaat Goldbarren zu schenken, damit er noch mehr Panzer und Flugzeuge bauen kann.«
    Am Samstagvormittag sah Ebby sich die Stadt an (der kleine blaue Skoda war immer in seiner Nähe) und besichtigte die Burg, in der ungarische Könige und das Haus Habsburg einst Hof gehalten hatten. Er besuchte die Krönungskirche, die während der Türkenherrschaft in eine Moschee umgewandelt worden war. Gegen Mittag ging er in ein gemütliches Caféhaus am Fluss und bestellte sich ein belegtes Brot und ein Bier; an seinem Tisch saß eine kleine alte Frau mit einer abgetragenen Fuchsstola um den Hals und einer Skimütze auf dem Kopf und trank ein Glas Tokajer. Plötzlich flüsterte sie Ebby irgendwas auf Ungarisch zu. Als sie seine Verwirrung bemerkte, erkundigte sie sich höflich auf Deutsch, ob er Ausländer sei. Als er sagte, er sei Amerikaner, wurde sie ganz hektisch. »Ach du je, entschuldigen Sie bitte«, raunte sie. Sie ließ ihren Wein stehen, legte ein paar Münzen auf den Tisch und hastete nach draußen. Durchs Fenster konnte Ebby sehen, wie sie auf der anderen Straßenseite von zwei Männern in langen, dunklen Mänteln angesprochen wurde. Die alte Frau kramte aus ihrer Handtasche einen Ausweis hervor, und man riss ihn ihr aus der Hand. Einer der Männer deutete mit einem knappen Kopfnicken an, dass sie mitkommen müsse. Die beiden Männer verschwanden mit der winzigen Frau in ihrer Mitte aus Ebbys Gesichtsfeld.
    Ebby sorgte sich um die alte Frau, deren einziges Vergehen darin bestand, dass sie mit einem Amerikaner an einem Tisch gesessen hatte. Oder steckte doch mehr dahinter? Wurde er beobachtet, weil man routinemäßig jeden Amerikaner auf ungarischem Boden beschattete, oder hatte einer der Dissidenten, mit denen er sich treffen sollte, den Geheimdienst auf seine Anwesenheit – und seine Identität – hingewiesen? Ebby schob einen Geldschein unter eine Untertasse, zog seinen Mantel an und ging die Straße hinunter. Gelegentlich sah er sich ein Schaufenster an – und benutzte die Scheibe, um zu überprüfen, was hinter ihm passierte. Der blaue Skoda folgte ihm im Schritttempo, doch jetzt saß nur noch ein Mann darin. Der zweite Mann, so stellte Ebby fest, ging jetzt vor ihm her. Ein junger Bursche in Wanderstiefeln blieb jedes Mal stehen und las Zeitung, wenn Ebby stehen blieb. Auf der anderen Straßenseite bewegte sich eine Frau mittleren Alters in exakt dem gleichen Tempo weiter wie Ebby.
    Ihm zog sich der Magen zusammen, als er weiterging. Gelegentlich blieb er stehen, um den Stadtplan zu konsultieren, doch schließlich stand er vor dem Kunstmuseum. Als er die Treppe hinaufging, sah er in der gläsernen Eingangstür, wie der Skoda unten am Straßenrand hielt.
    Drinnen kaufte Ebby sich eine Eintrittskarte. Ein Schild am Kassenhäuschen bestätigte, was man ihm in Washington gesagt hatte: Jeden Tag um 14.30 Uhr fand eine Führung in englischer Sprache statt. Ebby gesellte sich zu der Gruppe ausländischer Touristen, die am Fuß der Treppe

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