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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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ein kurzer, harter Schlag landete in Ebbys Bauchhöhle, raubte ihm die Luft zum Atmen und ließ einen Stromstoß des Schmerzes bis hinunter in seine Zehen rasen. Grobe Hände rissen ihn vom Boden hoch und setzten ihn wieder auf den Hocker, wo er nach vorn klappte und sich den Bauch hielt.
    Wieder drang die ruhige Stimme aus der Dunkelheit. »Nennen Sie bitte Ihren vollen Namen.«
    Ebbys Atem kam stoßweise. »Elliott … Winstrom … Ebbitt.«
    »Vielleicht verraten Sie uns jetzt Ihren Rang.«
    Ebby presste die Worte einzeln zwischen den Lippen hervor. »Ihr … könnt … mich … mal.«
    Der Mann in Zivil kam erneut auf ihn zu, doch die ruhige Stimme bellte etwas auf Ungarisch, und der Mann verschwand wieder im Dunkeln. Die Lampen gingen aus, und im Raum wurde es stockfinster. Zwei Hände zerrten Ebby von dem Hocker, stießen ihn quer durch den Raum zu einer Wand und hielten ihn dort aufrecht. Ein schwerer Vorhang direkt vor seinem Gesicht teilte sich und gab den Blick auf eine dicke Glasscheibe und einen grell erleuchteten Raum direkt dahinter frei. In der Mitte des Raums befand sich ein Hocker, der am Boden festgeschraubt war, und darauf saß eine geisterhafte Porzellanfigur. Ebby blinzelte hektisch mit seinem offenen Auge, und allmählich wurde die Gestalt klarer.
    Die Museumsführerin, die Frau eines Ungarn namens Németh, die Geliebte des Dichters Árpád Zelk, saß zusammengesunken auf dem Hocker. Sie war nackt bis auf eine verdreckte, blassrosa Unterhose, die schlaff über eine Hüfte hing, weil der Gummizug gerissen war. Sie hatte einen Arm über die Brust gelegt. Mit den Fingern der anderen Hand befingerte sie einen abgebrochenen Schneidezahn. Die dunklen Männergestalten in dem Raum waren offensichtlich dabei, sie zu verhören, obwohl kein Laut durch die dicke Glasscheibe drang. Elizabet wehrte die Fragen mit einem nervösen Kopfschütteln ab. Eine der Gestalten trat hinter sie und riss ihr die Arme auf den Rücken. Dann trottete die schwergewichtige Frau mit der langen weißen Metzgerschürze auf sie zu. Sie hatte eine Zange in der Hand. Ebby wollte sich abwenden, doch kräftige Hände pressten seinen Kopf gegen die Scheibe.
    Elizabets verquollene Lippen öffneten sich zum Schreien um Erlösung von den Schmerzen, als die Frau ihr eine Brustwarze zerquetschte.
    Ebby musste würgen, aber es stieg ihm nur Schleim in die Kehle.
    »Mein Name«, erklärte er, nachdem zwei Männer ihn zurück zu dem Hocker geschleift hatten, »ist Elliott Winstrom Ebbitt. Ich bin ein Offizier der Central Intelligence Agency der Vereinigten ’ Staaten. Meine Gehaltsstufe ist GS-15.«
    Mit kaum verhohlenem Triumph fragte die Stimme aus der Dunkelheit: »Mit welchem Auftrag sind Sie nach Budapest gekommen? Welche Nachricht sollten Sie dem Konterrevolutionär Árpád Zelk überbringen?«
    Das grelle Licht brannte in Ebbys offenem Auge. Er wischte sich mit dem Handrücken die Tränen ab, die daraus hervorquollen, und plötzlich hörte er in seinem Kopf eine Stimme. Es war die von Mr. Andrews, seinem einarmigen Ausbilder von damals. »Man zerbricht nicht am Schmerz, sondern an der Angst.« Er hörte, wie Mr. Andrews diese Warnung unablässig wiederholte: Nicht am Schmerz, sondern an der Angst! Nicht am Schmerz, sondern an der Angst!
    Die Worte wurden immer leiser, und Ebby, der sie verzweifelt festhalten wollte, lauschte tief in sich hinein. Und zu seiner Verwunderung, eine Verwunderung, die ihn nie mehr verlassen sollte, erkannte er, dass er keine Angst vor dem Schmerz hatte, dem Sterben, dem Nichts nach dem Tod; er hatte Angst davor, Angst zu haben.
    Die Erkenntnis erleichterte ihn – und befreite ihn. Er hatte das Gefühl, als wäre ein großer, bösartiger Knoten aus seinem Innern entfernt worden.
    »Die Nachricht, wenn ich bitten darf?«, drängte die Stimme aus der Dunkelheit. »Ich möchte Sie daran erinnern, dass Sie keine diplomatische Immunität genießen.«
    Wieder presste Ebby die Worte zwischen seinen Lippen hervor. »Leck … mich … Kumpel.«

 
    4 Washington, D.C.,
Sonntag, 21. Oktober 1956

    A
    uf den Fluren des CIA-Gebäudes herrschte gedrückte Stimmung. Man munkelte, dass ein Mitarbeiter der Company bei einer Mission in Gefahr geraten war. Leo Kritzky, seit kurzem stellvertretender Leiter der Sowjetrusslandabteilung im Direktorat für Geheimoperationen und frisch gebackener Vater von Zwillingstöchtern, wusste mehr als die meisten. Allen Dulles, den der Dienst habende Offizier um drei Uhr morgens geweckt

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