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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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hatte, um ihm eine dringende Meldung vom Chef der CIA-Basis in Budapest vorzulesen, hatte die wichtigsten Leute am Sonntagmorgen zur Krisensitzung zusammengetrommelt, und Leo, der seinen erkrankten Boss vertrat, nahm daran teil. Zunächst informierte Dulles alle Anwesenden über den Stand der Dinge: E. Winstrom Ebbitt II., der sich ohne diplomatische Immunität als Undercover-Agent in Budapest aufhielt, war am Vorabend nicht in sein Hotel zurückgekehrt. Anfragen bei Krankenhäusern und Polizei waren ergebnislos geblieben. Der un garische AVH, der Amerikaner in Ungarn routinemäßig überwachte, stellte sich dumm; ja, sie wussten, dass ein New Yorker Anwalt namens Ebbitt im Gellért wohnte; nein, sie wussten nicht, wo er sich aufhielt; selbstverständlich würden sie der Sache nachgehen und die Amerikaner verständigen, falls sie etwas herausfanden.
    »Die Schweinebacken lügen, wenn sie den Mund aufmachen«, erklärte Dulles den Männern, die sich in seinem Büro versammelt hatten. »Falls Ebbitt untergetaucht wäre, hätte er sich sofort bei uns gemeldet – wir haben ihm eine ungarische Kontaktperson genannt, die über Funkgerät und Chiffriercodes verfügt.«
    Eine halbe Stunde nach Beginn der Sitzung meldete sich Frank Wisner telefonisch aus London, seiner ersten Station auf einer Europareise, und erinnerte alle daran, wie eng der ungarische AVH mit dem sowjetischen KGB zusammenhing. »Wenn der KGB niest, kriegt der AVH Schnupfen.«
    »Vielleicht hat Frank da einen guten Riecher«, überlegte Bill Colby, nachdem das Telefonat beendet war. »Beim AVH beißen wir auf Granit. Aber der KGB hat ein echtes Interesse daran, den unausgesprochenen Modus Vivendi zwischen unseren Geheimdiensten nicht zu gefährden.«
    Zwanzig Minuten lang wurden verschiedene Vorschläge abgewogen und verworfen, bis Leo eine Hand hob und sich zu Wort meldete. Er spürte Dulles’ durchdringenden Blick auf sich ruhen, während er die Idee vortrug, den Zauberer auf den Fall anzusetzen. Der könnte sich doch in Berlin mit seinem Pendant vom KGB treffen, schlug Leo vor, und auf die Nachteile für beide Seiten hinweisen, falls der KGB zuließe, dass seine untergeordneten Geheimdienste auf einmal anfingen, Skalps zu nehmen. Einer der Analysten wandte ein, dass Ebbitts Tarnung auffliegen würde, wenn sie sich bei den Russen für ihn einsetzten.
    Leo schüttelte nachdenklich den Kopf. »Wenn sie Ebbitt geschnappt haben«, sagte er, »dann nur, weil sie seine Tarnung durchschaut haben. Jetzt geht es darum, ihn heil da rauszuholen.«
    In seiner Wolke aus Tabakrauch nickte Dulles bedächtig. »Wie war noch mal Ihr Name?«, fragte er.
    »Kritzky. Leo Kritzky.«
    »Die Idee, dass Torriti den Russen klar macht, worum es hier geht, gefällt mir«, erklärte Dulles, während er Leo über den Rand seiner Brille hinweg beäugte. »Wenn der Zauberer den Russen mit Vergeltung droht, dann wird sie das beeindrucken. Torriti macht keine halben Sachen.« Dulles blickte auf die Uhr. »In Berlin ist jetzt früher Nachmittag. Vielleicht kann er heute schon was anleiern. Schreiben Sie das, Kritzky. Ich segne es dann ab.«
     
    Torritis korpulenter Körper war im Laufe der Jahre langsamer geworden, nicht jedoch sein Kopf. Die entschlüsselte Version von Dulles’ Nachricht mit dem Vermerk »Dringlichkeitsstufe eins« landete auf seinem Schreibtisch, an dem er gerade mal wieder einen Rausch ausschlief. Torriti schüttelte sich, setzte seine Lesebrille auf, die er seit einiger Zeit brauchte, las Dulles’ Anweisungen durch und brüllte dann durch die offene Tür: »Miss Sipp, McAuliffe soll seinen Hintern sofort hierher bewegen.«
    »Von Washington aus sieht sich das an wie ein Kinderspiel«, bemerkte Jack – inzwischen stellvertretender Leiter der Berliner Dienststelle –, als er die Meldung gelesen hatte. »Einer von unseren Leuten ist in Budapest dem AVH in die Hände gefallen. Und wir werden dem KGB die Füße rösten, wenn unserem Mann was passiert. So weit, so gut. Aber, Herrgott noch mal, wie sollen wir denn so kurzfristig Kontakt mit dem KGB-Residenten in Karlshorst kriegen – ich meine, wir können ihn ja schließlich nicht einfach anrufen und ihn auf eine Tasse Tee nach Westberlin einladen.«
    »Hab ich doch gewusst, dass du dir was Schlaues einfallen lassen würdest«, sagte Torriti. Er zog das Telefon näher an sich heran, fuhr sich mit den gespreizten Fingern durch das schüttere Haar, um sich für das Telefongespräch präsentabel zu machen, das er zu

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