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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Genosse Generaloberst, werde ich versuchen, dafür zu sorgen, dass er sie auch ganz bestimmt liest.«
    Starik schrieb hastig eine zweite Notiz auf einen Block und riss den Zettel ab. Der Sekretär atmete einmal tief durch, stürmte dann in den Raum und ließ die Tür halb offen. »Gehen unverantwortliche Risiken ein, falls wir nicht intervenieren.«
    »Erholen uns noch immer vom letzten Krieg.«
    »Die einzige Sprache, die Konterrevolutionäre verstehen, ist die Sprache der Gewalt.«
    Die Tür öffnete sich weiter, und der Sekretär kam zurück, gefolgt von der rundlichen Gestalt Nikita Sergejewitsch Chruschtschows. Die drei Bodyguards sprangen sofort auf. Starik warf die Zigarette auf den Boden und trat sie mit der Stiefelspitze aus.
    Chruschtschow war gereizt. »Was zum Teufel ist denn so wichtig, dass es nicht warten kann, bis …«
    Starik holte einen schlichten braunen Umschlag aus der Innenseite seiner langen Bauernjacke, zog einige Unterlagen daraus hervor und reichte sie Chruschtschow. »Das hier spricht für sich.«
    Der Erste Sekretär der Kommunistischen Partei setzte sich eine Lesebrille auf und begann, die Dokumente durchzusehen. Während er das erste Blatt las, teilten sich seine dicken Lippen. Von Zeit zu Zeit blickte er auf und stellte eine Frage.
    »Wie sicher ist die Quelle dieser Informationen?«
    »Absolut sicher.«
    »Das ist offenbar das Protokoll einer Sitzung –«
    »Es gab eine Telefonkonferenz über eine gesicherte Leitung zwischen dem CIA-Direktor Dulles, seinem Bruder John Foster Dulles, der sich derzeit in einem Washingtoner Krankenhaus erholt, und dem Verteidigungsminister Charles Wilson. Ein Stenograf im CIA-Büro von Dulles hat das Gespräch mitgeschrieben.«
    Chruschtschow lachte leise. »Ich werde Sie nicht fragen, wie diese Mitschrift in Ihre Hände gelangt ist.«
    Starik lächelte nicht. »Wenn Sie es täten, ich würde es Ihnen nicht sagen.«
    Chruschtschow wurde ärgerlich. »Wenn ich Ihnen den Befehl gebe, es mir zu sagen, dann sagen Sie es mir.«
    Starik blieb standhaft. »Vorher würde ich meinen Dienst quittieren.«
    Nikolai Bulganin, der ehemalige Bürgermeister von Moskau, der im Vorjahr auf Chruschtschows Drängen hin zum Ministerpräsidenten ernannt worden war, erschien in der Tür.
    »Nikita Sergejewitsch, Marschall Schukow drängt auf eine Antwort –«
    Chruschtschow reichte Bulganin die Blätter, die er bereits gelesen hatte. »Sehen Sie sich die an, Nikolai Alexandrowitsch«, befahl er knapp. Er las die restlichen Seiten durch, manche davon zweimal, dann blickte er auf. Seine kleinen Augen funkelten aufgeregt in dem runden Gesicht. »Die Bemerkung in Klammern hier oben«, sagte er leise, »besagt, dass diese Worte im Weißen Haus gefallen sind.«
    Starik gestattete sich ein dünnes Lächeln.
    Chruschtschow zeigte Bulganin das letzte Dokument, dann gab er Starik die Papiere zurück. »Ich danke Ihnen, Pascha Semjonowitsch. Natürlich ermöglicht uns das, die Situation in einem ganz anderen Licht zu betrachten.« Mit diesen Worten kehrten der Erste Sekretär und der sowjetische Ministerpräsident in den Sitzungssaal zurück und schlossen die Tür hinter sich.
    Die KGB-Gorillas ließen sich wieder auf ihre Bänke nieder. Der junge Sekretär atmete erleichtert auf. Hinter den dicken Holztüren schien sich der Sturm gelegt zu haben, und stattdessen hörte man die gemäßigten Stimmen gelassener Männer, die sich rasch auf eine vernünftige Entscheidung einigten.

 
    9 Budapest,
Sonntag, 4. November 1956

    A
    uf der Bühne des Corvin-Kinos warteten die Darsteller des Dramas in einem Wirrwarr von Orangenschalen, leeren Sardinenbüchsen, aufgebrochenen Munitionskisten, Kleiderhaufen und Waffen aller Art darauf, dass sich der Vorhang zum letzten Akt hob. Ein paar junge Mädchen füllten kichernd Patronengurte für Maschinenpistolen auf. Einige ältere Frauen saßen im Halbkreis vor der Bühne, füllten Benzin in leere Bierflaschen und stopften Stoffstreifen als Lunten hinein. In einer Ecke schärfte Zoltán der Zigeuner, Ebbys Funker, die lange, gebogene Messerklinge des Vaters seines Vaters und fuhr hin und wieder prüfend mit dem Daumen darüber. Ebby döste hinten im Zuschauerraum auf einem der hölzernen Klappsitze, den Kopf auf einen zusammengerollten Vorhang gelegt. Elizabet lag in der Reihe hinter ihm ausgestreckt über drei Sitze, einen Mantel der ungarischen Armee über sich gebreitet, eine Strickmütze über Augen und Ohren gezogen, die Licht und Geräusche

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