Die Company
Technikabteilung trennte drei Tabletten von den anderen. Torriti nahm eine in die Hand und musterte sie prüfend. Tatsächlich, da stand Bayar.
»Die drei Tabletten enthalten ein Botulismustoxin, das ich persönlich an drei Affen getestet habe – alle waren innerhalb weniger Minuten klinisch tot. Es gibt da einige Dinge, auf die Sie achten müssen. Diese speziellen Aspirintabletten sollten nicht in heißen Flüssigkeiten verwendet werden – ich denke da an Suppe oder Kaffee oder Tee. Sie können eingesetzt werden in Wasser, Bier, Wein –«
»Milchshakes?«
»O ja, Milchshakes wären ideal. Aber ich muss Sie darauf hinweisen, dass die Wirksamkeit nicht ewig hält.«
»Wie viel Zeit habe ich?«
»Ich rate dringend, dass meine kleinen Kostbarkeiten innerhalb der nächsten drei Monate zum Einsatz kommen. Nach Ablauf dieser Zeit könnten die Tabletten nämlich instabil werden – sie könnten Ihnen zwischen den Fingern zerbröseln, bevor Sie sie benutzen können, und vielleicht nur noch schwere Magenkrämpfe auslösen.«
»Sie haben das großartig gemacht«, sagte der Zauberer. Vorsichtig tat er die Tabletten mit dem Wort Bayar zurück in das Fläschchen. »Muss ich sonst noch irgendwas beachten, Doc?«
»Warten Sie … Ach ja, meine Güte, Mr. Harvey, da ist noch was – Sie sollten sich sehr gründlich die Hände waschen, bevor Sie zum Mittagessen gehen.«
Mit quälender Langsamkeit glitt der große Lastenaufzug hinauf in den dritten Stock des Lagerhauses in der Printer’s Row in Chicago. Zwischen den Stahlträgern über seinem Kopf hindurch konnte der Zauberer die riesige Spule sehen, die das Seil aufwickelte. Zwei von Giancanas Jungs zogen die Gittertüren auf, und Torriti trat aus dem Fahrstuhl in den größten Raum, den er je gesehen hatte. Bis auf einige hundert gestapelte Kartons mit Alkoholika, auf denen Duty Free Only stand, war alles leer. Etwa ein Fußballfeld entfernt, so kam es Torriti zumindest vor, sah er Mooney Giancana an dem einzigen Möbelstück weit und breit sitzen, einem außerordentlich langen Tisch, auf dem früher vielleicht mal Stoff zugeschnitten worden war. Hinter Giancana fielen schwache Lichtstrahlen durch die schmutzigen Fensterscheiben. Einige Männer in Sportjacketts mit breiten Schulterpolstern – oder war das ihre Statur? – standen im Raum verteilt.
Einer der beiden Leibwächter am Fahrstuhl streckte dem Zauberer einen Schuhkarton hin und deutete mit dem Kinn auf dessen Brust und Fußknöchel. Torriti nahm die Schusswaffen ab und legte sie in den Karton. »Krieg ich denn auch ’ne Garderobenmarke?«, fragte er mit einem frechen Grinsen.
Der Mann nahm die Frage ernst. »Sie sind der Einzige hier – wir verwechseln schon nix.«
Giancana, eine dicke Havanna rauchend, rief quer durch den Raum: »Schnell, her mit ihnen, Kennedy wird vereidigt.«
Der Zauberer schlenderte durch den Raum. Giancana starrte durch eine dunkle Brille auf einen Fernseher, deutete auf einen Stuhl, ohne seinen Besucher eines Blickes zu würdigen. Einer von Giancanas Gorillas schüttete Champagner in einen Plastikbecher und reichte ihn Torriti.
»Irgendeinen Grund zum Feiern, Mooney?«, fragte der Zauberer.
»Und ob – ich feiere Kennedys Einzug ins Weiße Haus.« Giancana lachte. Seine Männer lachten mit.
Auf dem Bildschirm war zu sehen, wie Kennedy im Cut am Rednerpult stand und mit seiner unverkennbaren nasalen Stimme die Antrittsrede hielt: »In der langen Geschichte dieser Welt ist es nur wenigen Generationen vergönnt gewesen, die Rolle der Verteidigung der Freiheit in der Stunde ihrer höchsten Gefahr zu spielen.«
»Wer hätte gedacht, dass Joes Kleiner es zum Präsidenten schaffen würde?«, fragte einer der Gorillas.
»Ich, wenn du’s genau wissen willst«, sagte Giancana.
»… die Energie, der Glaube und die Hingabe, die wir diesem Unterfangen entgegenbringen …«
»Auf JFK, den alten Racker«, sagte Giancana und hob seinen Plastikbecher in Richtung Fernseher. » Salute. «
»Ich hab gar nicht gewusst, dass Sie sich für Politik interessieren, Mooney«, sagte d er Zauberer mit unbewegter Miene.
»Sie wollen mich wohl verscheißern«, sagte Giancana. »Ich hab dem Mistkerl meine Stimme gegeben. Man könnte sogar sagen, ich hab für ihn den Wahlkampf gemacht. Ohne mich wär er jetzt nicht im Weißen Haus.«
»… und so, meine amerikanischen Mitbürger: Fragt nicht …«
»Sie haben ihm Stimmen verschafft«, sagte der Zauberer.
Giancana warf ihm einen Seitenblick zu.
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