Die Company
mit Speck und eine Tasse Kaffee bei Loukas dem Griechen und ging dann hinüber zu dem Telefon an der Wand und wählte Bernice’ Nummer. Vielleicht war er nur übernervös. Philby war am Ende mit den Nerven fertig gewesen, erinnerte er sich. Andererseits wollte er nun wirklich nicht so enden wie der russische Oberst, den er 1951 bei seiner Ankunft im Botanischen Garten in Brooklyn getroffen hatte. Rudolf Abel war sechs Jahre später vom FBI verhaftet worden, und wenn er nicht das Glück hatte, gegen einen amerikanischen Spion ausgetauscht zu werden, würde Oberst Abel vermutlich den Rest seines Lebens im Gefängnis schmoren.
Eugene hörte, wie es etliche Male klingelte. Auch das war seltsam; wenn sie wusste, dass er kommen wollte, und er nicht rechtzeitig da war, hob sie immer sofort ab. Nach dem siebten Klingeln meldete sie sich.
»Hallo.«
»Bernice?«
»Bist du das, Eugene?« Ihre Stimme klang angespannt. Es entstand eine lange Pause, die Eugene nicht versuchte zu füllen. »Wo bist du?«, fragte sie schließlich.
»Ich musste noch tanken. Alles okay?«
Plötzlich schrie sie: »Hau ab, Baby! Die haben Max geschnappt und das Zeug in deinem Schrank gefunden –«
Man hörte rasche Schritte. Bernice stieß einen Schmerzensschrei aus. Dann sprach eine Männerstimme, schnell, um die Nachricht zu übermitteln, bevor die Leitung unterbrochen wurde. »Zu Ihrem eigenen Besten, Eugene, legen Sie nicht auf. Wir können ein Geschäft machen. Wir wissen, wer Sie sind. Sie kommen nicht weit. Wenn Sie mit uns zusammenarbeiten, wenn Sie die Seiten wechseln, könnten wir Ihnen eine neue Identi–«
Eugene drückte auf die Gabel. Dann sagte er »Ihr könnt mich mal« in die tote Leitung, die mit Sicherheit abgehört wurde. Er ging zurück zur Theke, legte zwei Dollarscheine darauf und murmelte: »Loukas, mir ist was dazwischengekommen.«
»Du musst nichts bezahlen, was du nicht isst«, wandte Loukas ein, aber Eugene ließ das Geld liegen. »Dann esst ihr beim nächsten Mal auf Kosten des Hauses«, rief der Grieche ihm nach.
»Alles klar«, sagte Eugene, dann schloss sich die schwere Tür hinter ihm.
Draußen schien die Nacht plötzlich kälter zu sein als zuvor, und Eugene fröstelte. Es würde kein nächstes Mal geben, wurde ihm klar. Sein altes Leben – Max, Bernice, sein Job, seine Wohnung über dem Laden, seine Identität als Eugene Dodgson – es war vorbei; selbst Max’ Lieferwagen konnte ihm nichts mehr nützen.
Er ging los. Er musste nachdenken, durfte keinen Fehler machen. Ein Bus hielt weiter vorn an einer Haltestelle, und Eugene begann zu laufen. Der Fahrer hatte ihn wohl gesehen, denn er wartete, bis Eugene hereingesprungen war. Atemlos dankte Eugene ihm, löste einen Fahrschein und torkelte zu den hinteren Plätzen in dem fast leeren Bus.
Er dachte an Serafima und Agrippina, die Zwillingsschwestern, die ihm in Russland Tag für Tag seine beiden falschen Identitäten eingetrichtert hatten: Unter der ersten würde er als Eugene Dodgson leben; die zweite, Gene Lutwidge, würde er annehmen wie eine neue Haut, falls die erste aufflog. Nur das konnte ihn davor bewahren, das gleiche Schicksal wie Oberst Abel zu erleiden.
Aber wie war das FBI ihm auf die Spur gekommen? Max Kahn hatte die Kontakte zu seinen alten kommunistischen Parteifreunden abgebrochen, als er in den Untergrund ging. Aber vielleicht hatte er mal zufällig einen von ihnen getroffen oder um der alten Zeiten willen angerufen. Und der war vielleicht inzwischen ein Informant für das FBI, oder sein Telefon wurde abgehört. Wenn das FBI erst mal auf Max aufmerksam geworden war, hatten sie bestimmt auch seine beiden Angestellten unter die Lupe genommen, Bernice und Eugene.
»Die haben das Zeug in deinem Schrank gefunden«, hatte Bernice noch gerufen. Durch dieses »Zeug« – die Motorola-Antenne, das Microdot-Lesegerät, die Chiffriercodes, das Bargeld – musste ihnen klar geworden sein, dass sie einem sowjetischen Agenten auf die Spur gekommen waren, der undercover in der Hauptstadt lebte, und dass Max und Bernice einem größeren Spionagering angehörten. Das FBI hatte vermutlich beschlossen, sie beide nicht sofort zu verhaften, um so vielleicht noch weitere Spione enttarnen zu können. J. Edgar Hoover hatte die Operation bestimmt höchstpersönlich geleitet, wenn auch nur, um die Lorbeeren zu ernten, wenn die Spione ins Netz gingen. Als schließlich klar war, dass durch Max und Bernice niemandem sonst auf die Spur zu kommen war – Eugene
Weitere Kostenlose Bücher