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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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betäubt seinen Schmerz. Er leidet, Ebby. Ende des Krieges war er in Bukarest – hat für Wisner gearbeitet, der damals die dortige OSS-Station geleitet hat. Er hat miterlebt, wie die Sowjets alle Rumänen, die sich auf die Seite der Deutschen gestellt hatten, mit Güterwagen in die sibirischen Gefangenenlager abtransportierten. Er hat die Schreie der Gefangenen gehört, er hat mitgeholfen, die armen Teufel zu begraben, die sich lieber das Leben genommen haben, als in die Waggons zu steigen. Das hat ihn fürs Leben gezeichnet. Für ihn ist der Kampf gegen den Kommunismus ein persönlicher Kreuzzug – die Mächte des Guten gegen die Mächte des Bösen. Zurzeit hat das Böse die Oberhand, und das macht ihm ordentlich zu schaffen.«
    »Also säuft er.«
    »Ja. Aber seine Arbeit leidet nicht darunter. Im Gegenteil, der Whiskey nährt sein Genie. Falls mich der KGB irgendwann auf einem Ostberliner Dach in die Enge treibt, möchte ich Harvey an meiner Seite haben.«
    Die beiden wechselten einen viel sagenden Blick; Ebby waren Gerüchte über die brenzlige Begegnung auf dem Dach nach der missglückten Exfiltration zu Ohren gekommen.
    Auf der anderen Seite des Raums stand ein betrunkener russischer Attaché in einem Doppelreiher mit riesigen Revers schwankend auf und hob an, auf Russisch das Volkslied »Moskauer Nächte« zu singen. Zwei amerikanische Offiziere und Yale-Absolventen hievten sich an der Bar von ihren Hockern und begannen, den Whiffenpoof Song zu schmettern, die Yale-Hymne mit dem Text der letzten Strophe von Rudyard Kiplings Gedicht Gentlemen-Rankers.
     
    We have done with Hope and Honor,
    We are lost to Love and Truth …
     
    Jack sprang auf und fiel mit ein.
     
    We are dropping down the ladder rung by rung …
     
    Ebby, der erst in Yale studiert und dann an der Columbia-Universität seinen Jura-Abschluss gemacht hatte, erhob sich ebenfalls und sang mit.
     
    And the measure of our torment is the measure of our youth.
    God help us, for we knew the worst too young!
     
    Ein halbes Dutzend amerikanischer Zivilisten, die an einem großen Tisch in einer Ecke saßen, horchten auf. Einige von ihnen ließen sich mitreißen.
     
    Our shame is clean repentance
    For the crime that brought the sentence,
    Our pride it is to know no spur of pride …
     
    Als noch mehr Stimmen im Nachtklub den Chor unterstützten, stolzierte der Transvestitenkomiker wütend von der Bühne.
     
    And the Curse of Reuben holds us
    Till an alien turf enfolds us
    And we die, and none can tell
    Them where we died.
     
    Inzwischen waren überall im Lokal Amerikaner aufgestanden und grölten jetzt, die Gläser über dem Kopf schwenkend, den Refrain. Die russischen und ostdeutschen Diplomaten schauten mit amüsierter Verwunderung zu.
     
    Gentlemen-Rankers out on the Spree,
    Damned from here to eternity.
    God ha ’ mercy on such as we,
    Baa! Yah! Bah!
     
    »Wir sind hier alle irre, Ebby.« Jack musste über den tosenden Applaus hinwegschreien. »Ich bin irre. Du bist irre. Die Frage ist: Wie zum Teufel bin ich in dieses Irrenhaus geraten?«
    »Nach dem, was du mir damals im Cloud Club gesagt hast«, brüllte Ebby zurück, »war es ein großer Fehler von dir, Ja zu sagen, als der Coach dich und deinen Ruderkumpel zum Punsch ins Mory’s eingeladen hat.«
     

 
I
    Laden der Waffe
    Im Nu war ihm Alice nachgerannt,
    ohne auch nur von fern daran zu denken,
    wie in aller Welt sie wohl wieder herauskäme.
     
    LEWIS CARROLL, Alice im Wunderland
     
     
     
     
    Foto: Ein 8x13 Zentimeter großes Schwarzweißfoto, das mit den Jahren vergilbt ist. In verblichener Druckschrift steht auf dem gewellten weißen Rand: »Jack & Leo & Stella nach dem Rennen, aber vor dem Sündenfall.«
    Das Datum ist verwischt und unleserlich. Auf dem Foto posieren zwei Männer Anfang zwanzig vor einem Rennruderboot, sie schwingen lange Ruder, die sie mit den Trikots der besiegten Harvard-Mannschaft drapiert haben. Etwas abseits steht eine schlanke Frau in knielangem Rock und einem Männerpullover mit dem Universitäts-Emblem und streicht sich gerade die Haare aus den weit aufgerissenen, ängstlichen Augen. Die beiden jungen Männer sind identisch gekleidet: Ruderschuhe, Shorts und ärmellose Unterhemden mit einem großen Y auf der Brust. Der Größere der beiden trägt einen Kosakenschnurrbart und hält eine offene Sektflasche in der Hand. Sein Kopf ist zu dem Hemd, das wie eine Fahne an seinem Ruder flattert, geneigt, doch seine Augen verschlingen die junge

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