Die Company
Angleton«, sagte Kukuschkin.
»Sie wissen von Mr. Angleton?«
»Jeder in der Botschaft weiß von eurem Mr. Angleton.«
»Wenn die Gegenspionage uns grünes Licht gibt, müssen wir ein safe house auf dem Land vorbereiten und mit Personal besetzen, erst dann können wir die Exfiltration organisieren – dazu brauchen wir einen Zeitpunkt, an dem Sie mit Frau und Tochter das russische Gelände unter einem Vorwand verlassen. Sie müssen in der Lage sein, den Aktenkoffer mit den Geheimnissen zu füllen, die Sie uns versprochen haben, und ihn aus der Botschaft schmuggeln.«
Kukuschkins Miene verfinsterte sich. »Wie lange?«
»Wenn alles glatt geht, in fünf bis sechs Wochen.«
Der Russe sprang auf. »In fünf Wochen ist SASHA längst wieder in Washington!« Er ging zum Fenster, teilte den Vorhang und spähte auf die dunkle Straße. »In fünf Wochen, Manny, bin ich ein toter Mann.«
»Beruhigen Sie sich, Sergei. Es gibt einen Ausweg.«
»Aus einem Sarg gibt es keinen Ausweg.«
Manny trat zu Kukuschkin ans Fenster. »So weit wird es nicht kommen, Sergei, wenn Sie mir die Informationen über SASHA jetzt geben – verraten Sie uns den Anfangsbuchstaben von SASHAs Nachnamen, verraten Sie uns das biografische Detail, sagen Sie uns, wann SASHA schon einmal für einige Zeit nicht in Washington war.«
Kukuschkin drehte sich um und lief hinter der Couch auf und ab, wie ein Panther, der nach einem Ausweg aus der Falle sucht, in die er gestürzt ist. »Und, wie fühlen Sie sich bei diesem Erpressungsspiel, das Sie mit mir veranstalten?«
Manny wich Sergeis Blick aus. »Mies. Ganz mies. Aber wir machen alle bloß unseren Job …«
Der Russe stöhnte. »An Ihrer Stelle würde ich das Gleiche machen. Wir beide sind in einer miesen Branche.«
»Ich habe SASHA nicht erfunden, Sergei«, sagte Manny vom Fenster aus. »Ich kann nichts dafür, dass er in gut einer Woche wieder in Washington ist.«
»Woher weiß ich, dass ihr mich nicht wegwerft wie eine ausrangierte Puppe, wenn ich euch die Informationen über SASHA gebe?«
»Ich gebe Ihnen mein Wort, Sergei –«
»Euer Mr. Angleton ist nicht an Ihr Wort gebunden«, erwiderte Kukuschkin und setzte sich wieder auf die Couch. »Was ist mit der ärztlichen Hilfe für meine Frau?«
»Wir können sie innerhalb weniger Tage von Spezialisten untersuchen lassen. Falls nötig, bekommt sie die Behandlung, die sie braucht.«
»Was heißt innerhalb von Tagen?«
»Die Russen in der Botschaft lassen sich alle hier in Amerika die Zähne machen – sie gehen zu einem bulgarischen Zahnarzt nicht weit von der Subwaystation Dupont Circle; er spricht Russisch, und die Honorare sind bezahlbar. Wenn Ihre Frau plötzlich Zahnschmerzen bekäme, würde sie bei ihm einen Termin vereinbaren. Wenn sie eine Wurzelbehandlung bräuchte, müsste sie drei-, viermal zu ihm über einen Zeitraum von drei oder vier Wochen. Wir könnten einen Herzspezialisten besorgen, der sie in einem anderen Raum im selben Gebäude untersucht.«
»Und der bulgarische Zahnarzt?«
»Der wird kooperieren. Er tut so, als würde er sie tatsächlich behandeln, und niemand wird etwas merken.«
»Woher wissen Sie so genau, dass er kooperiert?«
Manny lächelte nur.
Kukuschkin dachte nach. Manny ging zu ihm und setzte sich auf die Couchlehne. »Vertrauen Sie mir, Sergei – geben Sie mir die Informationen über SASHA. Wenn wir SASHA identifizieren können, haben Sie keine Probleme mehr. Wir holen Sie und Ihre Familie unter Bedingungen herüber, die nahezu risikofrei sind. Dann machen wir Ihnen ein Angebot, bei dem Ihnen Hören und Sehen vergeht. Sie werden es nicht bereuen.«
2 Washington, D.C.,
Freitag, 24. Mai 1974
D
ie Zeit wurde knapp. Kukuschkin blieben noch achtundvierzig Stunden, dann waren die zwei Wochen, in denen die Gelegenheit zum Überlaufen günstig war, verstrichen; falls seine Informationen richtig waren, würde SASHA am Sonntag nach Washington zurückkehren und am nächsten Morgen wieder an seinem Schreibtisch sitzen. Obwohl sich die Sondereinheit um größtmögliche Diskretion innerhalb der Company bemühte, würde SASHA sicherlich von der Operation Wind bekommen und die sowjetische Botschaft alarmieren.
Angleton war von Anfang an argwöhnisch gewesen. Doch seine natürliche Neigung, bei Überläufern das Schlimmste anzunehmen, bekam Risse, als Manny erwähnte, dass Kukuschkin ihm von dem Desinformationsdirektorat berichtet hatte, mit dem der KGB eine weltweite Falschinformationskampagne durchführte.
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