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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Er fragte sich, ob sein Vater sich an ihn klammerte oder ans Leben?
    »Sto … stolz«, brachte Alexander Timofejewitsch mit Mühe hervor. »Ei … einsam.«
    »Ja, es ist ein einsames Leben.« Er lächelte seinen Vater an.
    »Aber es verschafft auch Befriedigung, wie du ja aus eigener Erfahrung weißt.«
    Ein Mundwinkel des alten Mannes zuckte, als versuchte er, die Muskeln dazu zu bewegen, ein Lächeln zustande zu bringen. »Wo? W … wann?«
    Jewgeni verstand die Fragen. »Wieder dort. Bald.«
    Das starr auf Jewgeni gerichtete Auge blinzelte, und Tränen quollen hervor. Der Pfleger berührte Jewgeni an der Schulter.
    »Überanstrengen Sie ihn nicht«, flüsterte er. Jewgeni drückte noch einmal die jetzt schlaffe Hand seines Vaters. Das Augenlid schloss sich, und das einzige Geräusch im Raum war das Schnaufen seines Vaters, der durch die verstopfte Nase Luft holte.
     
    Die Tage vergingen wie im Flug. Jeden Morgen besprach Starik mit Jewgeni haarklein dessen Treffen mit SASHA, und sie erörterten gemeinsam die Sicherheitsvorkehrungen, die einen Schutzwall sowohl zwischen der Washingtoner Residentur und der polnischen Verbindungsfrau als auch zwischen der Polin und Jewgeni bildeten und die dafür sorgten, dass Jewgeni bis auf den äußersten Notfall keinen direkten Kontakt mit SASHA hatte. Eines Nachmittags erschien ein Techniker in der Apatow-Villa, um Jewgeni mit den neuesten Spionagespielereien vertraut zu machen: ein Microdot-Projektor, der in einer Kodakboxkamera versteckt war, die sogar Fotos machen konnte; ein Kurzwellensender in Form eines Rasierapparates, mit dem sich verschlüsselte Nachrichten auf Lochstreifen übermitteln ließen; eine in einem gewöhnlichen Bleistift verborgene Pistole, mit der man eine einzige 6.35-Millimeter-Kugel abschießen konnte.
    Abends wanderte Jewgeni durch die Moskauer Straßen und studierte neugierig die Gesichter der von der Arbeit nach Hause eilenden Menschen. Manchmal ging er in das chinesische Restaurant im Hotel Peking oder aß etwas in dem Prager-Restaurant-Komplex am Arbat-Platz.
    Eines Abends wurde Jewgeni, nachdem er seinen Vater im Krankenhaus besucht hatte, zu einem Bankett mit Starik und einigen hohen Tieren des KGB in einem privaten Restaurant in der obersten Etage des Hotels Ukraine eingeladen. Und so kam es, dass er, während zunächst Beluga-Kaviar und Champagner gereicht wurde, neben niemand anderem saß als dem berühmten Vorsitzenden des KGB, Juri Wladimirowitsch Andropow, der 1956 als sowjetischer Botschafter in Ungarn den russischen Angriff auf Budapest und die Verhaftung von Imre Nagy geleitet hatte. Die Unterhaltung gestaltete sich recht banal – Andropow interessierte sich offenbar mehr für Matsch und Tratsch über amerikanische Filmstars als für den Watergate-Skandal oder die Aussichten, dass gegen Nixon ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet würde. Ob es stimme, dass John Kennedy mit Marilyn Monroe geschlafen habe, wollte er wissen. Hatte der berühmte Frauenheld Errol Flynn wirklich mit einer Sechzehnjährigen auf einer Yacht vor der Küste von Cannes gewohnt? War an dem Gerücht etwas dran, dass Soundso – er nannte ein legendäres Hollywood-Paar – nur eine Scheinehe führten, weil eines der Filmstudios verschleiern wollte, dass beide homosexuell waren?
    Als die beiden Kellner das Geschirr abgeräumt und einen erlesenen Cognac serviert hatten, verschwanden sie, und die Doppelflügeltür wurde von innen verschlossen. Andropow, ein großer, humorloser Mann, der angeblich melancholische Gedichte über verlorene Liebe und Entsagungen im Alter verfasste, stand auf und klimperte mit einem Messer gegen einen Cognacschwenker. » Towarishi «, begann er. »Ich habe das Vergnügen – ich darf sagen, die Ehre –, heute Abend, in diesem notgedrungen kleinen Kreis, die bemerkenswerte Karriere eines unserer herausragenden operativen Mitarbeiter zu feiern. Aus Sicherheitsgründen muss ich meine Worte allerdings mit Bedacht wählen. So genügt es wohl, wenn ich sage, dass der zu meiner Rechten sitzende Genosse Jewgeni Alexandrowitsch Tsipin als leuchtender Stern am Spionagefirmament aufgegangen ist und an die Leistungen des legendären Richard Sorge, der, wie wir alle wissen, während des Großen Vaterländischen Krieges eine entscheidende Rolle in Japan gespielt hat, heranreicht, ja sie vielleicht sogar übertrifft. Heute steht vermutlich noch mehr auf dem Spiel. Ich kann Ihnen versichern, dass Jewgeni Alexandrowitsch, sollte für ihn die Zeit kommen,

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