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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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in die Heimat zurückzukehren, sein Porträt neben denen anderer sowjetischer Geheimdiensthelden im Gedenksaal des Ersten Direktorats finden wird.« Andropow griff in die Tasche seines Jacketts, holte ein flaches Kästchen heraus und öffnete es. Es war mit blauem Samt ausgeschlagen und enthielt einen sowjetischen Orden am Band. Er bedeutete Jewgeni, sich zu erheben. »In meiner Funktion als Vorsitzender des KGB verleihe ich Ihnen den Orden der Roten Fahne.« Der General streifte Jewgeni das Band über den Kopf und richtete es am Hals gerade, so dass die Metallscheibe vorn auf dem Hemd ruhte. Dann beugte er sich vor und küsste ihn auf beide Wangen. Die acht Leute am Tisch klopften mit ihren Messern an die Gläser. Jewgeni blickte Starik verlegen über den Tisch hinweg an.
    Sein Mentor nickte beifällig. Und plötzlich wurde Jewgeni klar, dass ihm Stariks Anerkennung weitaus mehr bedeutete als die seines Vaters, dass Starik – der von Anfang an sein Tolstoi gewesen war – in einem tiefen Sinne der Vater geworden war, den er sich immer gewünscht hatte: der autoritäre Idealist, der ihm die richtige Richtung weisen konnte, so dass er sich lediglich auf seine Vorwärtsbewegung konzentrieren musste.
    Am Morgen darauf rief Grinka seinen Bruder an und teilte ihm die schlechte Nachricht mit: Ihr Vater war in der Nacht ins Koma gefallen und am frühen Morgen gestorben. Der Leichnam sollte am Vormittag eingeäschert werden, und Grinka schlug vor, mit Jewgeni zur Datscha in Peredelkino zu fahren, um die Asche dort im Birkenwald zu verstreuen. Zu Grinkas Überraschung lehnte Jewgeni ab. »Ich habe genug zu tun mit den Lebenden und wenig Zeit für die Toten«, sagte er.
    »Und wann sehen wir uns wieder?«, fragte Grinka. Als Jewgeni nicht antwortete, sagte Grinka: »Vergiss nicht – ich brauche noch deine Unterschrift wegen der Datscha.«
    »Ich werde jemanden beauftragen, alles in deinem Sinne zu regeln«, entgegnete Jewgeni und legte auf.
    Doch Jewgeni wollte noch etwas anderes erledigen, bevor er Moskau verließ. Er ging in ein Postamt in der Gorki-Straße, wies sich als Offizier des militärischen Abschirmdienstes aus und ließ sich ein Moskauer Telefonbuch bringen, das der allgemeinen Öffentlichkeit nicht zugänglich war. Er schlug in dem dicken Buch den Buchstaben L auf, sah die Spalten mit dem Namen Lebowitz durch, bis er auf den Eintrag »Lebowitz, A. I.« stieß. Dann ging er in die nächste Telefonzelle auf der Straße und wählte die Nummer, die er auf einen Zettel geschrieben hatte. Nach zweimaligem Klingeln meldete sich eine wohltönende Stimme.
    »Bist du das, Marina? Ich habe die Unterlagen für deine –« Die Frau stockte. »Wer ist denn da?«
    »Asalia Isanowa?«
    »Am Apparat.«
    Jewgeni wusste nicht, wie er seinen Anruf erklären sollte; er zweifelte, ob er selbst den Grund kannte. »Ich bin ein Geist aus deiner Vergangenheit«, brachte er über die Lippen. »Wir sind uns in einer früheren Inkarnation begegnet –«
    Asalia schnappte nach Luft. »Ich erkenne dich an dem Zaudern in der Stimme«, hauchte sie. »Bist du von den Toten auferstanden, Jewgeni Alexandrowitsch?«
    »In gewisser Weise, ja. Können wir uns unterhalten?«
    »Worüber? Über das, was hätte sein können? Aber es gibt kein Zurück, und wir können nicht mehr dort weitermachen, wo wir aufgehört haben.«
    »Ich hatte damals keine Wahl –«
    »Sich in eine Situation zu begeben, in der man keine Wahl hat, ist eine Wahl.«
    »Das stimmt natürlich … Geht’s dir gut?«
    »Ja, mir geht es gut. Und dir?«
    »Bist du verheiratet?«
    Sie antwortete nicht gleich. »Ich war verheiratet«, sagte sie schließlich. »Ich habe eine Tochter. Sie wird diesen Sommer sechzehn. Meine Ehe ist leider gescheitert. Mein Mann war in vielen Dingen anderer Ansicht als ich … Kurz gesagt, ich bin geschieden. Bist du verheiratet? Hast du Kinder?«
    »Nein. Ich habe nie geheiratet.« Er lachte verlegen. »Auch das war wohl eine Wahl, die ich getroffen habe. Was machst du beruflich?«
    »Immer noch dasselbe … ich arbeite für das Historische Institut in Moskau und übersetze nebenbei englische Bücher.«
    Ein Lastwagen donnerte an der Telefonzelle vorbei, so dass Jewgeni nicht verstand, was sie weiter sagte. Er hielt sich das freie Ohr zu und presste den Hörer gegen das andere. »Ich habe dich nicht verstanden.«
    »Ich habe gefragt, ob du einsam bist.«
    »Zurzeit mehr denn je. Mein Vater ist gerade gestorben.«
    »Das tut mir Leid. Ich erinnere mich

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