Die Company
am Morgen des vierten Tages wurden sie für ihre Geduld belohnt. Ein Zil mit Chauffeur hielt vor dem Haus, und ein Mann mit langen hellen Haaren und dem massigen Körper eines Ringkämpfers stieg aus dem Fond. Er schloss die Haustür auf und verschwand im Innern. Eine Dreiviertelstunde später kam er wieder heraus, gefolgt von einer kleinen, korpulenten Frau mit kurzem, grau meliertem Haar. Die beiden unterhielten sich einen Augenblick lang auf dem Bürgersteig, bis ein zierliches Mädchen von etwa acht Jahren aus dem Haus gelaufen kam. Die Eltern lachten fröhlich.
In dem Park rückte Mandel Orlew seine Aktentasche zurecht und drückte auf den Auslöser der Kamera, die sich unter der Mappe verbarg.
9 Washington, D.C.,
Donnerstag, 21. November 1974
H
eftige Böen von der Chesapeake Bay peitschten die Bäume, gewaltige Wellen klatschten tosend an die Küste. Durch das Fenster seines Zimmers im zweiten Stock der Privatklinik beobachtete Leo Kritzky das Naturschauspiel. Seine Frau Adelle machte gerade auf der Kochplatte Wasser für den Kaffee heiß.
»Du siehst schon viel besser aus«, sagte sie, während sie den Bananenkuchen anschnitt, den sie gebacken hatte, und ihm ein Stück reichte. »Ein Unterschied wie Tag und Nacht.«
»Es kann nur noch bergauf gehen«, erwiderte Leo.
»Erzählst du mir jetzt, was passiert ist?«, fragte sie.
»Das haben wir doch schon alles durchgekaut«, sagte Leo. »Ich kann nicht.«
Adelle blickte ihren Mann eindringlich an. Auch sie hatte gelitten, auch wenn das offenbar niemanden sonderlich interessierte. »Der Kongress hat heute das Gesetz für Informationsfreiheit gegen das Veto von Präsident Ford verabschiedet«, sagte sie.
»Das bedeutet, jeder Bürger der Vereinigten Staaten kann die CIA auf Herausgabe ihrer Geheimnisse verklagen. Aber mein Mann verschwindet für vier Monate und eine Woche spurlos, und als er wieder auftaucht, sieht er aus wie der leibhaftige Tod, und kein Mensch sagt mir, was passiert ist.«
Leo sagte: »So ist das nun mal, Adelle.«
Aus dem, was Jack gesagt – und was er nicht gesagt – hatte, hatte Adelle geschlossen, dass die Company für Leos Zustand verantwortlich war. »Das darfst du denen nicht durchgehen lassen«, flüsterte sie.
Leo starrte zum Fenster hinaus und staunte darüber, dass Bäume so weit nach unten gebogen werden konnten, ohne zu brechen. Auch er war nicht gebrochen, obwohl er an manchen Tagen nahe daran gewesen war, das Geständnis zu unterzeichnen, das Angleton während der Verhöre stets auf dem Tisch liegen hatte; an dem Morgen, als er den Falter tot entdeckte, hätte er sich umgebracht, wenn er gewusst hätte, wie.
Es war auf den Tag einen Monat her, dass Jack und Ebby mit einem Arzt und einer Krankenschwester zu ihm in die Zelle gekommen waren, um ihn herauszuholen. »Du bist entlastet, alter Junge«, hatte Jack bewegt gesagt. »Angleton und wir alle haben uns schrecklich geirrt.«
Ebby hatte Tränen in den Augen gehabt und nicht hinsehen können, als der Arzt Leo untersuchte. Die wenigen Haare, die er noch hatte, waren schmutzig weiß geworden, die blutunterlaufenen Augen lagen tief in den Höhlen, an Füßen und Bauch hatte er schorfige Ekzeme.
»Wo sind wir denn hier – bei der Gestapo?«, hatte der Arzt gesagt, während er Leo den Puls fühlte. »Was habt ihr Kerle bloß mit ihm gemacht?«
Leo hatte für sie geantwortet. »Sie wollten die Company vor ihren Feinden verteidigen«, hatte er leise gesagt. »Sie haben erst jetzt herausgefunden, dass ich kein Feind bin.«
»Man hat uns reingelegt«, hatte Ebby bedrückt gesagt. »Wir müssen es irgendwie wieder gutmachen.«
Leo hatte Jack am Ärmel gezupft, während sie darauf warteten, dass die Krankenschwester einen Rollstuhl brachte. »Wie seid ihr draufgekommen?«, hatte er gefragt.
» Du bist draufgekommen«, hatte Jack gesagt. »Du hast prophezeit, dass unser Informant sich keinem Lügendetektortest unterziehen würde. Und so war es. Die Russen haben ihn unter einem Vorwand nach Moskau geholt, genau wie du vermutet hast. Dann haben sie ihn verhaftet, vor Gericht gestellt und exekutiert. Doch das Ganze war reines Theater, wie sich herausgestellt hat. Wir haben ermittelt, dass der Russe sich noch immer des Lebens freut, was bedeutet, dass er uns Falschinformationen untergeschoben hat. Aus irgendeinem Grund wollten sie, dass Angleton dich für SASHA hält.«
»Um ihn von der Spur des richtigen SASHA abzulenken«, hatte Leo gemutmaßt.
»Vermutlich«,
Weitere Kostenlose Bücher