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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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»Unsere?«
    Leo grinste zurück. »Ich habe zu lange ein Doppelleben geführt. Eure Dienststellen müssten herausfinden können, wer in den jeweiligen Ländern Einfluss bei der Zentralbank hat und als möglicher sowjetischer Agent in Frage kommt.«
    »Und wenn wir nicht ganz sicher sind«, sagte Jack, »können wir die drei oder vier Hauptkandidaten ja einfach neutralisieren. So läuft das doch beim KGB, nicht?«
    Leo fuhr auf: »Sei nicht so verdammt selbstgerecht, Jack! Eure Dienststellen haben die Geheimpolizei in Vietnam ausgebildet, in Argentinien, in der Dominikanischen Republik, in Chile, im Irak – die Liste ist lang. Ihr habt einfach so getan, als wäre nichts, wenn eure Kunden ihre politischen Gegner verhaftet und gefoltert und ermordet haben. Bei der ›Operation Phönix‹ in Vietnam, mit den Tigerkäfigen auf der Insel Con Son, sind zwanzigtausend Vietnamesen getötet oder verkrüppelt worden, bloß weil sie verdächtigt wurden – nur verdächtigt, Jack! –, kommunistenfreundlich zu sein.«
    »Die Company hat Feuer mit Feuer bekämpft –«, sagte Jack trotzig.
    » Feuer mit Feuer! «, wiederholte Leo verächtlich. » Ihr habt ganze Armeen von Agenten finanziert und ausgerüstet und dann im Stich gelassen – die Kubaner in Miami, die Khambas in Tibet, die Meos in Laos, die Montagnards in Vietnam, die Nationalchinesen in Burma, die Ukrainer in Russland, die Kurden im Irak.«
    Jack entgegnete sehr leise: »Du bist nun wirklich der Allerletzte, der sich moralisch aufs hohe Ross schwingen sollte.«
    Leo stand auf. »Ich habe dich, seit wir uns kennen, bewundert, Jack. Noch bevor du in der Schweinebucht mit an Land gegangen bist, warst du für mich ein Held – und dabei war es gleichgültig, dass wir auf verschiedenen Seiten standen.« Leo zuckte müde die Achseln. »Es tut mir Leid, Jack.« Er presste die Lippen aufeinander und nickte kurz. »Es tut mir Leid, dass unsere Freundschaft so enden muss …«
    »Du solltest deinen Vorsprung besser nutzen«, sagte Jack nur.
    »Stimmt.« Leo holte eine kleine Reisetasche aus einem Schrank, dann schaltete er das Radio ein und drehte es laut. »Noch eins, Jack«, rief er von der Tür aus. »Meine russischen Freunde werden nicht publik machen, dass ich übergelaufen bin, nicht, wenn ich es verhindern kann – ich möchte die Zwillinge und meine Exfrau schützen. Und ich habe der Moskauer Zentrale nichts von dem israelischen Kommandounternehmen erzählt. Ich hoffe bei Gott, dass die Befreiung gelingt.«
    Jack brachte es nicht über sich, SASHA zu danken; er wäre daran erstickt. Aber er hob die freie Hand, um diesen letzten Gefallen zu würdigen.
     
    Der magere schwarze Junge in dem engen roten Overall, über dessen Brusttasche »Latrell« aufgestickt war, schüttelte nachdrücklich den Kopf. Nein, es konnte kein Irrtum sein, beteuerte er. Ausgeschlossen. Er blätterte den Packen Bestellungsformulare durch und fand schließlich, was er suchte. »Hier, Mister«, sagte er. »Eine Napolitana ohne Oliven. Bestellt für: Ihre Hausnummer, Wohnung über der Garage am Ende der Einfahrt, das sind Sie doch, oder?«
    »Das bin ich«, gab Jewgeni zu. »Welcher Name steht denn auf der Bestellung?«
    Der Junge hielt das Formular ans Licht. »Dodgson«, sagte er.
    »Sind Sie Dodgson?«
    Jewgeni schnappte kurz nach Luft, dann nahm er die Pizza entgegen.
    »Wie viel macht das?«
    »Fünf fünfzig.«
    Jewgeni zahlte und gab dem Jungen Trinkgeld. Er schloss die Tür und lehnte sich mit dem Rücken dagegen, bis das Pochen in seiner Brust nachließ. Eine Pizza für Dodgson, der Name, den Jewgeni vor zweiundzwanzig Jahren abgelegt hatte, war SASHAs Alarmsignal. Es bedeutete das Ende der Welt. Es bedeutete, dass die Amerikaner irgendwie die für SASHA zuständige Kontaktperson identifiziert hatten. Vermutlich wurde er von FBI-Agenten beschattet, sein Telefon abgehört. Allmählich begann Jewgenis Verstand wieder halbwegs ruhig zu arbeiten. Logisch denken, beschwor er sich. Sie hatten ihn noch nicht verhaftet, was ein gutes Zeichen war – sie hofften wohl, dass er sie zu SASHA führen würde. Was wiederum bedeutete, dass sie nicht wussten, wer SASHA war. Und den Schluss zuließ, dass das schwache Verbindungsglied zwischen der Washingtoner Residentur und Jewgeni lag: Aida Tannenbaum.
    Glücklicherweise hatte SASHA von der Entdeckung erfahren und Jewgeni auf die einzig mögliche Art gewarnt. Okay. Als Nächstes musste er so tun, als ginge er schlafen – die Jalousien sollte er halb

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