Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
Vom Netzwerk:
die alte Katze schnurrte. Sie meinte, irgendwo unter ihrem Fenster einen Wagen anhalten zu hören. Es erinnerte sie an die Nacht, als die Gestapo das Lagerhaus gestürmt hatte, in dem der kommunistische Untergrund eine Druckerpresse stehen hatte, und man ihr ihren lieben, lieben Sohn Alfred aus den Armen gerissen hatte. Hatte sich gerade der Fahrstuhl ächzend in Bewegung gesetzt, oder bildete sie sich das nur ein? Sie war furchtbar müde. Fäuste trommelten gegen ihre Wohnungstür. Sie legte den Kopf auf den Arm und versuchte, sich an das Bild ihres Sohnes zu erinnern, aber sie sah immer bloß ihren geliebten Jewgeni, wie er ihr einen Kuss auf die Hand hauchte.
    Mit lautem Krachen flog die Wohnungstür auf. Mit Genugtuung dachte Aida, dass sie endlich keine Zeit mehr hatte, und griff nach der Streichholzschachtel.

 
    6 Yathrib,
Freitag, 18. November 1983

    D
    ie Kamele – drei von ihnen mit Proviant, Trinkwasser und Munition, die fünfundzwanzig anderen mit langen Holzkisten beladen – suchten sich ihren Weg durch den reißenden Fluss. Die zwölf schwer bewaffneten arabischen Kameltreiber hatten ein Tau von dem verrosteten russischen Panzer zu einem Baum am anderen Ufer gespannt und sich in regelmäßigen Abständen an dem Tau entlang aufgestellt, um sofort zur Stelle zu sein, falls ein Kamel ausglitt. Am anderen Ufer angekommen, machten die Männer Mittagspause. Die praktizierenden Muslime in der Gruppe verbeugten sich Richtung Mekka und begannen zu beten. Die nicht praktizierenden kochten grünen Tee in einem ramponierten Topf über dem kleinen Feuer. Sie aßen Fladenbrot, Hummus und rohe Zwiebeln. Falls einer von ihnen die beiden Paschtunen bemerkt hatte, die sie von einem Felsen weit oben durch Ferngläser beobachteten, so sagte er es jedenfalls nicht. Nach dem Essen machten es sich die meisten von ihnen bequem, dösten oder rauchten. Nach knapp einer Stunde erhob sich der Anführer, ein schlanker Ägypter in Khakifelduniform und mit verspiegelter Sonnenbrille, und trieb mit lauten arabischen Rufen die Kamele zusammen. Als alle Tiere – jedes an das jeweils vordere gebunden – in einer Reihe aufgestellt waren, schwangen die Treiber ihre Birkenruten, und die Karawane machte sich an den steilen Anstieg. Nach mehreren Stunden gelangten sie an die schmale Schlucht. Während sie gerade eine weitere Gebetspause einlegten, kamen zwei Paschtunen und ein Iraker durch die Schlucht geritten. Der Iraker begrüßte die Männer auf Arabisch und plauderte mit dem Anführer, während die Paschtunen wahllos einige Kisten aufbrachen – in jeder befand sich eine funkelnagelneue Stinger-Rakete. Zufrieden führten die Paschtunen die Männer mit den Kamelen durch die Schlucht. Als der Weg breiter und flacher wurde, kamen sie an halb verfallenen Weilern vorbei. Gegen Sonnenuntergang erreichten sie am Ende des Pfads das von einer Mauer umgebene Grundstück, auf dem sich das Minarett aus Lehmziegeln über der Moschee erhob. Der Muezzin rief gerade die Gläubigen zum Abendgebet. Aus den Steinhäusern vor der schroffen Felswand traten Paschtunen. Manche gingen zur Moschee, die anderen eilten herbei, um sich die Stinger-Rakete anzusehen, die auf eine Armeedecke gelegt worden war.
    Ibrahim, der eine Schaffelljacke und seine Paschtunenmütze mit dem Amulett trug, kam hinzu. Mit freudigem Lächeln begrüßte er den ägyptischen Anführer und versicherte ihm, dass er und seine Leute, so lange sie wollten, willkommene Gäste im Lager seien. In ausladendem Arabisch bedankte sich der Anführer für die Gastfreundschaft und sagte, er werde bemüht sein, sie nicht zu missbrauchen. Ibrahim entgegnete, aber nein, Gastfreundschaft müsse doch gerade missbraucht werden, um ihre Wahrhaftigkeit und den Geist zu ermessen, aus dem heraus sie entboten wurde.
    Dann gesellte er sich zu seinen Kämpfern, die sich um die Rakete drängten. Sie waren wie Kinder, die ein neues Spielzeug inspizierten. Vorsichtig berührten sie die Rakete, die russische Flugzeuge und Hubschrauber zerstören würde. Keiner bemerkte, dass einer der Araber in der zunehmenden Dämmerung das große Flügeltor am Eingang des Grundstücks schloss. Die anderen nahmen ihre Automatikwaffen von der Schulter und verteilten sich beiläufig auf beiden Seiten der Gruppe, die sich um die Rakete drängte. Einige von ihnen schlenderten zu einem Trog hinüber, der vor der Tür zur Moschee stand. Zwei andere spazierten auf das Haus zu, in dem Ibrahims Gefangene untergebracht waren.
    Plötzlich

Weitere Kostenlose Bücher