Die Company
sog Ibrahim witternd die eisige Luft durch die Nase und blickte sich langsam um. Ihm fiel auf, dass das große Flügeltor, das normalerweise offen stand, geschlossen worden war. Er blinzelte in die Dämmerung und sah, dass die Araber sich auf dem Gelände verteilt hatten. Leise sagte er etwas zu seinem Schatten, der sofort hinter ihn trat und die Finger um den Dolch schloss. Nach und nach bemerkten auch die anderen Paschtunen Ibrahims Unruhe und spähten in die schattenhafte Dämmerung.
Plötzlich ertönte das unverkennbare Flattern von Hubschrauberrotoren. Ibrahim schrie eine Warnung, und im selben Augenblick eröffneten die Araber das Feuer. Einer der ersten Schüsse traf Ibrahim in die Schulter, so dass er herumwirbelte und in die Arme seines Schattens sank. Mit wilden Flügelschlägen riss der gelbe Kanarienvogel sich los und flog davon, die Leine hinter sich herziehend. Von oben erhellten grelle Scheinwerfer das Gelände, als die Hubschrauber steil nach unten sanken. Bordgeschütze spien Feuer. Ein Hubschrauber landete in einer Staubwolke, der andere schwebte über der Moschee und bombardierte den Weiler unterhalb des Geländes und den Pfad, der von dort heraufführte, mit Phosphorgranaten. Die Mudschaheddin, die aus der Staubwolke flohen, wurden von Gewehrsalven niedergemäht. Der ägyptische Anführer hatte sich hingekniet und schoss ruhig und präzise auf die Paschtunen, die aus der Moschee quollen. Dann schrie er in hebräischer Sprache neue Befehle und lief auf den niedergestreckten Ibrahim zu. »Fasst ihn lebend!«, rief jemand auf Englisch.
Der Schatten zückte das Messer, beugte sich über Ibrahim und blickte ihm fragend in die Augen. »Denk an deinen Schwur«, flehte Ibrahim. Wieder ratterte Maschinengewehrfeuer – in Ibrahims Ohren klang es wie ein ferner Trommelwirbel, der seine Ankunft im Paradies ankündigte. Bald würde er zur Rechten des Propheten sitzen. Er sah den Propheten Ibrahim, wie er seinem Sohn das Opfermesser an die Kehle setzt. Die Vision erinnerte ihn daran, was er zu tun hatte. Leise murmelte er: » Khahesh mikonam, lotfi konin. – Ich flehe dich an, erweise mir eine Freundlichkeit«, packte das Handgelenk des Leibwächters mit seiner gesunden Hand und zog die rasiermesserscharfe Klinge sacht hinab zu seiner Halsschlagader.
Als die ersten Schüsse gefallen waren, hatte Anthony Maria Shaath in eine Ecke des Dachbodens gezogen, auf dem sie gefangen gehalten wurden. Kurz darauf stürmten Leute in den Raum unter ihnen. »Das ist ein Kommandounternehmen«, sagte Anthony. »Aber wer wird zuerst hier sein – Ibrahim oder die anderen?« Jemand stellte eine Leiter gegen die Wand und kam herauf. Anthony packte den kleinen Kohleofen und sprang hinter die Falltür, als sie aufgestoßen wurde. Ein Mann erschien, den Finger am Abzug einer israelischen Uzi, das Gesicht verhüllt. Anthony schwang den Kohleofen über den Kopf und wollte ihn schon auf den Eindringling schmettern, als der in akzentfreiem Englisch sagte: »Hat hier vielleicht jemand Lust auf einen Hubschrauberflug nach Pakistan?«
In der von hohen Mauern umgebenen Villa der Company in Peschawar saß ein junger Funker am Empfangsgerät, das auf eine ganz bestimmte Frequenz eingestellt war. Seit einer Woche hörten er und seine Kollegen rund um die Uhr immer nur atmosphärisches Rauschen. Jetzt jedoch drang plötzlich eine menschliche Stimme durch das Hintergrundgeräusch, die einen einzigen Satz wiederholte.
»Er hat mir Ohrringe versprochen. Ich wiederhole. Er hat mir Ohrringe versprochen.«
Der Funker fuhr mit dem Finger die Liste von Codes herunter, bis er den Satz fand. Dann rannte er den Gang hinunter und streckte den Kopf ins Büro des Dienststellenleiters, der Manny Ebbitt seit der Entführung vertrat. »Die Hubschrauber haben eine Erfolgsmeldung gefunkt«, rief er aufgeregt. »Sie sind auf dem Rückflug.«
»Chiffrieren Sie die Meldung und schicken Sie sie nach Washington«, befahl sein Chef und lehnte sich erleichtert zurück. Gott sei Dank, die Israelis hatten es geschafft. Da würden in Langley aber die Champagnerkorken knallen.
Und auf die Mudschaheddin, die den Zugriff der Israelis überlebt hatten, wartete noch eine andere Überraschung. Wenn sie nämlich versuchten, die Stinger-Raketen einzusetzen, würden sie feststellen, dass der Zündmechanismus ausgebaut worden war, womit die Raketen eigentlich nur Schrottwert hatten.
Sie trafen sich bei Tagesanbruch in der Baptistenkirche in der 16 th Street. Es
Weitere Kostenlose Bücher