Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
Vom Netzwerk:
nicht, warum Harvey SNIPER überhaupt abhören lässt, er kriegt doch alles, was SNIPER weiß, schwarz auf weiß von RAINBOW geliefert.«
    »Mr. Torriti ist ein sehr systematischer Mensch, Jack. Glauben Sie mir, er lässt nichts unberücksichtigt.«
    Jack erschien frühzeitig zu seinem regelmäßigen Freitagstreffen mit Lili am Haus in der Hardenbergstraße, wo er auf einem Zettel an der Tür las, dass der Ballettunterricht bis auf weiteres ausfiel. Mit seiner Weisheit am Ende, schickte er eine Anfrage an alle Informanten der Berliner Basis, ob irgendeinem zu Ohren gekommen war, dass es im sowjetischen Sektor eine spektakuläre Festnahme gegeben habe. Die nach und nach eintreffenden negativen Antworten beruhigten ihn ein wenig. Es deutete nichts auf irgendwelche Verhaftungen im größeren Stil hin. Die KGB-Offiziere in Karlshorst waren durch eine von der Moskauer Zentrale erlassene Verfügung abgelenkt, die verlangte, dass Offiziere, die zurück in die Heimat geschickt wurden, für aus der Deutschen Demokratischen Republik mitgebrachte Waren wie Möbel, Kleidung, Autos, Motorroller und Fahrräder eine horrende Steuer zu zahlen hatten; es war sogar davon die Rede gewesen, eine Petition in Umlauf zu bringen, doch der Resident General Ilitschew hatte die Drahtzieher zusammengestaucht und die drohende Rebellion im Keim erstickt.
    Vorsichtshalber ließ Jack sich die Protokolle des von der Berliner Basis abgehörten Funkverkehrs von Karlshorst bringen. Doch auch da war nichts Ungewöhnliches festzustellen. Er las die letzten Berichte der Beobachter durch, die für sowjetische Flughäfen zuständig waren. Alle Flüge in den vergangenen Tagen waren planmäßig gewesen. Jack schickte Silvan II zu der Privatschule am Alexanderplatz, wo Lili unterrichtete; dort hing die Mitteilung, dass der Unterricht bis auf weiteres von einer Vertretung erteilt werde. Auf dem Weg zurück nach Westberlin schaute Silvan II bei der Hausmeisterin vorbei, um unter dem Vorwand, sich nach ihrem gesundheitlichen Befinden zu erkundigen, irgendetwas über den Verbleib des Paares im ersten Stock in Erfahrung zu bringen. Die neue Arthritismedizin habe nicht viel geholfen, teilte sie ihm mit, und die Mieter im ersten Stock seien nicht da, Punkt aus.
    Da er die Hoffnung nicht aufgeben wollte, dass es für Lilis Verschwinden eine harmlose Erklärung gab, ging Jack zu seinem Treffen am Dienstagabend. Der Zettel mit der Ankündigung, dass der Unterricht ausfiel, war nicht mehr da. Lili tauchte so plötzlich wieder auf, wie sie verschwunden war. Von einem dunklen Hauseingang auf der anderen Straßenseite aus beobachtete Jack, wie RAINBOW sich dem Studio näherte. Niemand schien sie zu beschatten. Zwei Stunden später kamen ihre Schülerinnen heraus. Jack eilte, drei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hoch, wo Lili wie gewohnt an der Stange stand und ihre Übungen machte.
    Er packte ihr Handgelenk und zog sie von der Stange weg. »Wo warst du?«, fragte er barsch.
    »Nicht, du tust mir weh –«
    »Ich hatte Angst, du wärst –«
    »Ich wusste nicht, wie ich dich verständigen sollte –«
    »Wenn du festgenommen worden wärst –«
    Jack ließ ihr Handgelenk los. Sie holten beide tief Luft. »Jack«, flüsterte sie. Sie legte die Hand flach auf seine Brust, stieß ihn zurück, schüttelte den Kopf und ließ sich dann seufzend in seine Arme fallen. »Der Bruder des Professors ist unerwartet gestorben … wir mussten nach Dresden zur Beerdigung. Wir sind ein paar Tage dort geblieben, um der Witwe zu helfen, alle Formalitäten zu erledigen. Oh, Jack, das geht doch nicht mehr. Was sollen wir bloß machen?«
    »Lass mir Zeit«, sagte er. »Ich überlege mir was.«
    »Was gibt dir die Zuversicht, dass wir beide Zeit haben?«
    Jack drückte sie an sich. »Lass uns eine Nacht zusammen sein, Lili«, flehte er. »Nur einmal.«
    »Nein«, sagte sie, an ihn geklammert. »Ich darf nicht …«
     
    Lili drehte sich in dem engen Bett auf die Seite, so dass sie mit dem Rücken zu Jack lag. Er schmiegte sich an sie, drückte den Mund in ihren Nacken und fuhr mit einer Hand ihre Hüfte entlang. Über die Schulter hinweg sagte sie mit einer Stimme, die von den letzten Stunden ihrer Leidenschaft ganz heiser klang: »Ist dir schon mal aufgefallen, wenn ein Zug vorbeirast, dass alles in der Nähe der Schienen verschwommen aussieht? Aber wenn man schnell blinzelt, kann man die Bewegung für einen Augenblick stoppen, die Bilder einfrieren. Du rast heute Nacht mit

Weitere Kostenlose Bücher