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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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könnte doch von britischen Geheimdienstagenten in Warschau gestohlen worden sein, wandte der ältere Mann ein. Nein, nein, entgegnete der Pole. Die Kopie sei mit internen Dienstvermerken und Initialen versehen und nur einer begrenzten Anzahl von MI6-Offizieren zugegangen, von denen keiner in Warschau stationiert war.
    Dann ging es um andere Themen, bis der Pole irgendwann sagte, er müsste gehen. RAINBOW war wieder zu hören, als sie den Gast verabschiedete. Es folgten schwere Schritte auf der Treppe, eine Tür, die sich schloss, und das Klirren von Gläsern, die abgeräumt wurden.
    Jack blickte von dem Transkript auf; vor seinem geistigen Auge sah er, wie SNIPER sein Hemd und den gestärkten Kragen auszog, wie RAINBOW sich die Ohrringe abnahm, wie sie in einem Baumwollnachthemd aus dem Bad kam, wie sie die Decke des Ehebettes hochschlug und sich neben den Mann legte, dem sie so viel schuldete.
    Jack schüttelte die Bilder ab und las die Passage über den sowjetischen Spion im MI6 noch einmal durch. Wenn der Zauberer nicht schon auf dem Weg nach Washington wäre, um Mother seinen Kontrastbrei ins Gesicht zu schleudern und den sowjetischen Maulwurf zu enttarnen, würde er ihm diese Neuigkeit umgehend zukommen lassen. Egal. SNIPER würde ihm ja das Wesentliche von der Unterhaltung mit dem Polen in seiner unverwechselbaren Handschrift auf dem kleinen Stück Seide liefern, das Jack mit eigener Hand aus Lilis BH zutage fördern würde.

 
    14 Arlington,
Sonntag, 20. Mai 1951

    J
    ames Jesus Angleton, angetan mit verdreckter Gärtnerschürze, fegte das Gewächshaus, das er sich kürzlich im Garten seines Hauses im Washingtoner Vorort Arlington hatte bauen lassen. Eine durchweichte Zigarette klebte ihm an der Unterlippe, und unter seinen Augenlidern lauerte eine beginnende Migräne.
     
    »Ich versuche«, sagte er mit verrauchter Stimme, »eine hybride Orchideenart zu züchten. Wenn es mir gelingt, nenne ich die neue Cattleya Ciceley Angleton nach meiner Frau.«
    Der Zauberer lockerte seine Krawatte und hängte sein Sportjackett über die Lehne eines Bambusstuhls. Er schnallte sein Schulterhalfter ab, in dem der Revolver mit Perlmuttgriff steckte, und hängte es an den Griff eines Belüftungsfensters. »Von Blumen verstehe ich nicht die Bohne, Jim. Wie kreuzt man denn eine Orchidee?«
    »Um Gottes willen, nicht hinsetzen«, rief Angleton, als Torriti Anstalten machte, seinen massigen Körper auf den Bambusstuhl hinabzulassen. »Der bricht unter Ihrem Gewicht zusammen. Tut mir Leid.«
    »Schon gut.«
    »Es tut mir Leid.« Angleton fegte weiter. Aus den Augenwinkeln beobachtete er Torriti, der ziellos herumschlenderte, mit den Fingern über Tontöpfe und Gartengeräte strich. »Das Kreuzen von Orchideen ist ein sehr langwieriges und mühseliges Verfahren«, rief er durch das Gewächshaus, »in etwa vergleichbar der Gegenspionage.«
    »Was Sie nicht sagen.«
    Angleton hörte abrupt auf zu fegen. »Allerdings. Um eine Hybride zustande zu bringen, muss man die Pollen von einer Blüte nehmen und eine andere damit befruchten. Kennen Sie die Kriminalromane von Rex Stout? Darin gibt es einen Detektiv namens Nero Wolfe, der in der Freizeit Orchideen züchtet. Sollten Sie mal lesen.«
    »Mein Job ist schon spannend genug«, erwiderte Torriti. »Also, inwiefern ist Orchideenkreuzen vergleichbar mit Gegenspionage?«
    Auf den Besenstiel gestützt, zündete Angleton sich an der Glut der Zigarette in seinem Mund eine neue an. Dann warf er die abgebrannte Zigarette in einen Porzellanspucknapf, der vor Stummeln überquoll. »Für beides braucht man eine Engelsgeduld. Und die haben Sie nicht, Harvey. Orchideenzüchten und Gegenspionage sind nichts für Sie.«
    Torriti trat auf Angleton zu: »Wieso sagen Sie das, Jim?«
    »Ich denke dabei an Italien gleich nach dem Krieg. Sie haben sich des Kapitalverbrechens der Ungeduld schuldig gemacht.«
    Angletons kratzige Stimme hatte einen scharfen Unterton angenommen. »Sie waren wie besessen, es allen heimzuzahlen, von denen Sie meinten, hereingelegt worden zu sein – Ihre Freunde von der Mafia, die Russen, ich.«
    »Und die Leute behaupten, ich hätte ein Elefantengedächtnis!«
    »Wissen Sie noch, in Rom, Harvey? Sommer ’46? Sie haben einen Agenten verloren, er wurde auf einer Müllkippe gefunden, ohne Finger und ohne Kopf. Sie haben ihn anhand einer alten Schussverletzung identifiziert, die bei der Obduktion mit einer Blinddarmnarbe verwechselt worden war. Sie waren außer sich, haben es

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