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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Beute für die jeweils eigenen Zwecke.
    »Aber wir waren uns doch einig gewesen …«, hob Arnaut an.
    »Ich weiß«, sagte sie. »Stell dir aber vor, wir reiten den ganzen Weg bis Barcelona, und dann will uns dort niemand überhaupt anhören.«
    »Was sonst könnten wir tun?«, fragte Raimon.
    »Ich glaube immer noch, Carcassona wäre das Beste«, meldete sich Felipe wieder zu Wort. »Ihr habt ja gehört, sie reden nicht nur, sie handeln auch. Schließlich haben sie ein Heer gegen Alfons geschickt.«
    Obwohl das Kloster abgeschieden lag, war diese Kunde über einen reisenden Händler zu ihnen durchgedrungen. Es herrschte Krieg, und angeblich hatten die Trencavels die Oberhand, denn Alfons’ Truppen waren nicht in voller Stärke. Einzelheiten waren jedoch nicht zu erfahren gewesen. Dass man ihretwegen in den Krieg zog, hatte Ermengarda zuerst beeindruckt, bis ihr klargeworden war, es ging nicht um sie, sondern um Narbona.
    »Es würde die Trencavels stärken«, sagte Raimon, »wenn du dich an ihrer Seite zeigtest, als Beweis, dass du immer gegen diese Vermählung warst. Zumindest moralisch wäre Alfons geschwächt. Vielleicht solltest du gar den König von Frankreich anrufen, ihm einen Brief schreiben.«
    »Meinst du, das würde helfen?«
    »Ich meine schon. Auch wenn der König hier im Süden wenig Macht besitzt, aber der Form halber ist er doch immer noch der oberste Lehnsherr und dem Tolosaner gegenüber nicht gerade freundlich gestimmt. Das würde es Alfons erschweren, seinen Anspruch auf Narbona aufrechtzuerhalten. Vielleicht wäre der König sogar bereit, ein Schiedsgericht einzuberufen.«
    Bei Streit unter Adelshäusern, besonders um kriegerische Handlungen zu vermeiden, war dies nicht unüblich. Ermengarda starrte ihn mit großen Augen an.
    »Was für ein kluger Einfall. Warum hat niemand früher daran gedacht?« Ein Hoffnungsschimmer, so schien es ihr. »Und was sagst du dazu, Arnaut?«
    Der zog die Schultern hoch. »Ich war immer für Barcelona. Aber die Dinge haben sich geändert. Vielleicht habt ihr recht. Ich hätte nichts dagegen, an der Seite der Trencavels in den Kampf zu ziehen. Besser, als hier untätig herumzusitzen.«
    »Ich wäre mehr für einen Brief an den König. Müsst ihr Männer immer nur an Kampf denken? Was sagst du, Severin?«
    »Ich bin nur deine Leibwache. Mich musst du nicht fragen.«
    »Du willst dich nur um die Antwort drücken«, grinste Felipe, und alle lachten.
    »Ich will es mir überlegen«, sagte Ermengarda. »Morgen entscheiden wir.«
    In der Nacht lag sie lange wach und grübelte. Vielleicht würden auch die Trencavels sie nur für ihre Zwecke missbrauchen wollen. Aber nach Lösegeld stünde ihnen gewiss nicht der Sinn. Ihr Ziel war es, Alfons’ Macht einzuschränken. Wäre es nicht sinnvoll, ihnen dabei zu helfen?
    Nachdem die Priorei schon Stunden in tiefer Dunkelheit gelegen hatte, löste sich ein Schatten von den Bäumen und näherte sich mit Vorsicht. Der Unbekannte achtete darauf, nur in die Fußstapfen anderer zu treten, um keine eigenen Spuren im Schnee zu hinterlassen. Er sah sich um, machte sich mit den Unterkünften vertraut, maß im Geiste Entfernungen. Plötzlich hörte er die Hunde knurren, die bei den Ställen angekettet lagen. Lange blieb er unbeweglich stehen. Dann schlich er sich davon.
    ***
    »Ich bewundere die Eintracht, die bei euch herrscht«, sagte Ermengarda. »Und die Zufriedenheit mit dem einfachen Leben hier in den Bergen.«
    Magistra
Bertrada lachte. »O Gott, das ist fürwahr nicht immer so. Jetzt, da wir Besuch haben, zeigen sich alle von der besten Seite. Aber Ihr solltet sie sehen, wenn ihnen niemand zuschaut. Unsere Regel sieht vor, dass die Frauen sich vornehmlich dem Gebet widmen, während die Männer die harte Arbeit leisten. Das schmeckt nicht allen. Und dass wir Ehebrecherinnen und manchmal sogar geläuterte Huren aufnehmen, passt wiederum einigen Frauen nicht. Außerdem gibt es Zank über die Sitzordnung in der Kirche oder den Küchendienst. Glaubt mir, ich verbringe die halbe Zeit mit dem Schlichten von nichtigen Streitigkeiten. Aber wann geht es schon friedlich zu, wenn Menschen auf engem Raum zusammenleben?«
    »Das tut mir leid.«
    »Das muss es nicht. Serrabona ist mein Leben, ich wünsche mir kein anderes.«
    Sie saßen auf einer Bank im Garten. Eigentlich hatte Ermengarda über etwas anderes sprechen wollen. »Wir sind schon viel zu lange hier,
Magistra
«, sagte sie. »In den nächsten Tagen werden wir die Priorei verlassen

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