Die Comtessa
verfiel erneut in Schweigen. Auf die Schönheiten des Winterwaldes, die sie ihm zeigte, gab er nur einsilbige Antworten.
»Warum bist du so abweisend zu mir?«, sagte sie.
»Ich bin doch nicht abweisend.«
»Doch, das bist du.«
»Ich verhalte mich respektvoll, wie es sich gebührt.«
»Ach, Arnaut. Was soll das? Ist Respekt denn alles, was du mir zu schenken gewillt bist?«
Sie war zuerst erstaunt, dann doch froh, dass sie das gesagt hatte.
Wenn die beiden nicht so beschäftigt miteinander gewesen wären, hätten sie jetzt ein leises Knacken im Wald gehört, wie jemand, der auf einen trockenen Zweig tritt. Aber Arnauts Aufmerksamkeit galt allein Ermengarda, er hörte nur den Vorwurf in ihrer Stimme, sah nichts als den Schmerz in ihren Augen. Da blieb er stehen und berührte ihre Wange, als wolle er sie streicheln, wagte es dann aber doch nicht.
»Es ist …«, begann er mit gequälter Miene, aber mehr kam nicht heraus. Stattdessen schloss er für einen Moment die Augen, dann sah er weg. »Bedräng mich nicht«, flüsterte er.
»Ich bedränge dich?« Sie packte ihn am Arm und zwang ihn, sie anzusehen. »Warum sagst du das?«
Als er sich ihr zuwandte, blitzte es zornig in seinen Augen auf, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick. Dann senkte er den Kopf und ließ die Schultern hängen. »Du bist unsere Fürstin, Ermengarda«, sagte er. »Und wer bin ich?«
Damit wandte er sich ab und nahm den Fußmarsch wieder auf. Ermengarda lief ihm nach und hakte sich abermals bei ihm unter. Er ließ es zu, schwieg jedoch beharrlich. Auch sie sagte nun kein Wort. Sie hatte verstanden. Ein jeder war in die eigenen Gedanken versunken. So wanderten sie durch den Schnee.
Plötzlich gewahrte Arnaut eine Bewegung vor ihnen auf dem Weg. Erstaunt sah er auf und erblickte einen Mann, Fellmütze in die Stirn gezogen, in einen langen Wollumhang gekleidet, nicht mehr als fünfzehn Schritte von ihnen entfernt. Trotz der Mütze kam ihm der Kerl bekannt vor. Und während er noch rätselte, schwang der Fremde den Umhang zur Seite, hob eine Armbrust und zielte auf Ermengarda.
»Nein!«, brüllte Arnaut und stieß sie rauh zur Seite, aber zu spät, denn der Bolzen hatte sie schon erreicht. Er hörte ihren Aufschrei, wusste plötzlich trotz des Schreckens, wer der Mann vor ihnen war, der sich jetzt zur Flucht wandte. Rasende Wut überfiel ihn, er zog sein Schwert und begann, dem Meuchler nachzusetzen. Doch der war schnell wie ein Wiesel.
»Arnaut«, hörte er sie kläglich rufen. »Hilf mir.«
Da hielt er inne, zögerte und musste tatenlos zusehen, wie der Mann zwischen Büschen verschwand. Er drehte sich um.
Ermengarda war auf die Knie gesunken. Auf Brusthöhe ihres Umhangs breitete sich ein Blutfleck aus. Zwischen den Fingern der Hand, die nach der Wunde tastete, ragte die Befiederung des Bolzens heraus.
Er rannte zu ihr, warf sich neben ihr auf die Knie, fasste schreckgelähmt nach ihren Händen und legte zitternd den Arm um ihre Schulter. Dabei drohte ihm vor Entsetzen das Herz in der Brust zu zerspringen.
»O Gott«, schrie er.
»O mon amor.«
Während sie die Augen verdrehte und ohnmächtig gegen ihn taumelte, vernahm er das dumpfe Stampfen von Pferdehufen, das sich rasch entfernte. Hastig sah er sich um. Sie mussten von hier fort. Vielleicht gab es noch andere Angreifer.
Er hob ihren leblosen Körper auf und begann mit seiner Last, so schnell er konnte, zurück zur Priorei zu laufen. Sie war nicht schwer, aber halbblind vor Tränen stolperte er einige Male, denn statt auf den Weg zu achten, konnte er den Blick nicht von ihrem bleichen Antlitz reißen.
Das Blut auf ihren Kleidern, die Bolzenfedern, die schlaff herabhängenden Arme, all das erfüllte ihn mit Grauen. Einmal blieb er stehen, legte seine Wange an die ihre, küsste ihre Lippen, als könnte er damit alles ungeschehen machen.
»Du darfst mir nicht sterben, hörst du?«, flüsterte er und rannte weiter, immer weiter, obwohl er nach dem langen Weg jetzt keuchte und seine Arme wie Feuer brannten. Als er schon glaubte, nun müsse er vor Erschöpfung zusammenbrechen, tauchten die Hütten des Klosters vor ihm auf.
***
Arnaut brüllte um Hilfe wie ein verwundeter Stier.
Er war abgekämpft nach seiner Anstrengung, außer sich vor ohnmächtigem Zorn und voller Angst um Ermengarda. Es dauerte nicht lange, da kamen sie gerannt, und bald umringten ihn aufgeregt die Männer und Frauen des Klosters, erkannten mit Schrecken in den Mienen, dass Ermengarda verwundet in
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