Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
Vom Netzwerk:
und das Tier konnte nicht anders, als weiter in Richtung Talgrund zu fliehen, wo der Wald lichter war und die Reiter weniger Gefahr liefen, von tiefhängenden Ästen aus dem Sattel gehoben zu werden.
    Sie hetzten ihn nun schon seit einer Weile, und allmählich schien er zu ermüden. Er keuchte, Schaum stand ihm vor dem Maul. Immer öfter verlangsamte er kurzzeitig die Flucht, bis sich ein Reiter näherte und ihn zwang, wieder voranzustürmen. Jetzt entdeckte der Keiler ein mannshohes Dickicht vor sich und zwängte sich gewaltsam und unter dem Geräusch brechender Zweige hinein. Die vier Reiter umzingelten das Gesträuch. Nichts rührte sich, außer dem Atem der Pferde und dem heftigen Schnaufen und Keuchen des Ebers.
    »Putan«,
fluchte Felipe. »Wie kriegen wir ihn da raus?«
    Er sprang behende vom Pferd und näherte sich dem Dickicht mit dem Speer in der Hand.
    »He!«, brüllte Severin. »Die Biester sind gefährlich.«
    »Ach was«, lachte Felipe. »Ich will ihn nur ein bisschen am Bauch kitzeln.«
    Es war ein Brombeergebüsch. Vor ihm hingen die stacheligen Zweige so dicht, dass er nichts erkennen konnte. Er stocherte mit dem Speer darin herum, bis er Widerstand spürte und ein wütendes Schnaufen aus dem Gebüsch drang.
    »Ich hab ihn getroffen«, frohlockte er und stach noch einmal zu. Da hörte man ein Stampfen und Zweige brechen. Felipe lachte immer noch, sprang aber vorsichtshalber zwei Schritte zurück. In diesem Augenblick, wie ein schwarzes Urzeitviech, brach das Tier aus der Deckung und stürmte auf ihn los. Im letzten Augenblick hechtete er zur Seite, doch die gewaltigen Hauer erwischten ihn noch am rechten Bein, so dass er stürzte.
    Das mächtige Tier stemmte die kurzen Beine in den Waldboden und warf erstaunlich schnell den schweren Körper herum. Jetzt wollte es seinem am Boden liegenden Peiniger endgültig den Garaus machen.
    Da preschte Arnaut heran und warf den Speer, der dem Keiler in den borstigen Rücken fuhr. Das lenkte das Untier kurz ab, so dass Felipe sich auf die Knie ziehen konnte, bevor sich der Keiler in seiner Wut erneut auf ihn stürzte. Im letzten Augenblick gelang es Felipe, den eigenen Speer hochzureißen, so dass das Tier mit voller Wucht in die messerscharfe Spitze rannte. Tief bohrte sich der Stahl in die Eingeweide, doch selbst dies schien den Keiler in seiner Raserei nicht zu bremsen, denn er erreichte Felipes Hand und verletzte ihn. Mit einem Schrei ließ der den Speerschaft fahren und wuchtete sich zur Seite.
    Aber immer noch schlug der Eber wild mit den Hauern um sich und hätte Felipe den Leib aufgerissen, wenn der Speerschaft, der sich in den Waldboden gebohrt hatte, ihn nicht lang genug behindert hätte, so dass es Felipe gelang, hastig außer Reichweite zu kriechen.
    Selbst dann gab der Keiler nicht auf. Als der Schaft zerbrach, begann das Tier, sich mit letzter Kraft erneut auf ihn zu stürzen, aber da war Severin mit dem Saustecher da. Tief rammte er die breite Klinge in den Brustkorb des Ebers und zerfetzte ihm Herz und Lunge. Ein letztes Mal bäumte sich das Tier brüllend auf, ein Blutschwall drang aus seinem Maul, dann brach es zusammen und regte sich nicht mehr.
    Da saß Felipe leichenblass auf dem Hintern mitten im zerwühlten Schnee und bekreuzigte sich. Er blutete an der Hand, aber es schien nur eine leichte Verletzung zu sein.
    »Bist du noch zu retten, Mann?«, schrie Severin ihn an. »Sei froh, dass du noch lebst.«
    »Keine schlechte Taktik«, spöttelte Arnaut. »Wir schicken Felipe als Köder voraus und stechen die Sau ab, wenn sie versucht, ihn umzubringen. Wir sollten uns das merken.«
    »Sehr witzig«, murmelte Felipe und erhob sich. Als er versuchte aufzutreten, verzog er das Gesicht vor Schmerzen. »Hat mich auch am Bein erwischt, das Mistvieh.« Er befühlte die Stelle. Sein dicker Reitstiefel hatte zum Glück Schlimmeres verhütet.
    »Blutet wenigstens nicht.« Er hinkte zu Severin hinüber. »Danke dir. Bin dir was schuldig.«
    Der hatte seinen Zorn schon vergessen. »Erinnere dich daran, wenn es mir mal selbst ans Leder geht«, lachte er und bückte sich, um dem Tier die Ohren abzuschneiden. »Hier. Deine Jagdtrophäe. Kannst du deiner
domna
geben.«
    »Aber du hast ihn doch getötet.«
    »Nein, nein. Hab nur beendet, was du begonnen hast. Der wäre ohnehin an deinem Speer verendet. Der Triumph ist deiner.«
    Sie ließen den Eber ausbluten, brachen ihn auf und nahmen die dampfenden Eingeweide heraus. Den Kadaver häuteten sie und zerlegten ihn

Weitere Kostenlose Bücher