Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
Vom Netzwerk:
in große Teile. Zusammen mit Herz, Leber und Lungen wickelten sie diese in mitgebrachte Leinentücher und verteilten sie auf die Pferde. Den Rest ließen sie für Wolf und Fuchs zurück.
    Jori hatte alles atemlos miterlebt. Rausch und Erregung der wilden Hatz durch den Wald, die Furcht, aus dem Sattel zu stürzen, sein hämmerndes Herz, der Schreck beim Angriff des Ebers, aufgeschrien hatte er vor Angst, Angst um Felipe, auch um sich selbst. Jetzt blickte er mit großen Augen auf den zertrampelten, blutigen Schnee. Wie ein Schlachtfeld sah es aus. Und als hätten sie den Gestank der Innereien schon von weitem bemerkt, tauchten die ersten Raben auf, ungeduldig hüpften sie näher, um sich die Leckerbissen zu schnappen.
    Die rohe Gewalt und das Blut hatten Jori erschrecken lassen. Und dennoch hatte er etwas schaurig Schönes im Todestanz zwischen Mann und Tier gespürt, zuletzt das unbändige Hochgefühl des siegreichen Jägers. Jetzt verstand er, warum die Adeligen so versessen aufs Jagen waren. Einen wilden Eber zu erlegen, das machte einen Kerl zum Mann, dachte er.
    Auf dem Heimweg führten die jungen Männer ihre Pferde am Zügel. Im Kloster würde man sich über diese Abwechslung des Speiseplans freuen. Sie waren ausgelassen und fröhlich nach ihrem Erfolg, prahlten, witzelten, sangen zotige Lieder und lachten sich halbtot dabei.
    Es dunkelte, als sie sich der Priorei näherten. In ihrem Übermut achteten sie nicht auf die Umgebung. Doch selbst wenn sie aufmerksamer gewesen wären, hätten sie den Mann, der sie beobachtete, nicht bemerkt, denn zu gut war er versteckt. Er verfolgte ihren Aufstieg, sah, wie sie freudig in Empfang genommen wurden, wie Mönche das Fleisch der Beute von den Pferden hoben und zum Abhängen in die Scheune trugen.
    Er hatte sie also wieder aufgespürt, dachte der Mann mit tiefer Befriedigung. Lang genug hatte es gedauert. Bis Arles de Tec war er geritten, doch auf der Strecke dorthin hatte man sie nirgendwo gesehen. Zurück in Castel Nou, hatte er in einer Schenke von einem Überfall munkeln hören, dem sie aber entkommen wären. Doch wohin, wusste niemand zu sagen. Da sie nicht die Passstraße genommen hatten, mussten sie nach Norden zurückgekehrt sein, was er jedoch nicht recht glauben wollte. Oder sie befanden sich in den Bergen. In mühseligen Wochen hatte er die ganze Gegend abgesucht, ob Adelssitz, Bauernhof oder Hirtenhütte. In Scheunen hatte er geschlafen, sich im Wald den Hintern abgefroren. Nichts. Nichts. Nichts. Als hätte sie die Hölle verschluckt.
    Doch nun hatte er sie gefunden. Ermengarda selbst hatte sich für einen Augenblick lang auf der Galerie bei der Kirche gezeigt. Diesmal würde sie ihm nicht entkommen.
    ***
    Das Abendmahl, das gleich nach der Vesper eingenommen wurde, teilten die Gefährten mit der Klostergemeinschaft im
refectorium
der Priorei. In Wahrheit ein viel zu nobler Name für die einfache, strohgedeckte und aus Feldsteinen errichtete Koch- und Speisehütte.
    Der Boden bestand aus festgestampfter Erde, Tafel und Bänke aus unbehandeltem Fichtenholz, andere Möbel gab es nicht. Der hintere Bereich ging ohne Trennwand in die Küche über, in deren Mitte sich eine gemauerte Feuerstelle befand. Der Rauch entwich durch eine Öffnung im Dach, und von den Deckenbalken hing an einer Eisenkette der große Kessel über dem Feuer, in dem die tägliche Suppe köchelte.
    Hier ging alles einfach zu. Niemand wurde bedient. Man griff sich seinen Napf und Holzlöffel, erhielt bei der Schwester Köchin ein Stück Brot und eine Schöpfkelle voll dicker Bohnen- oder Erbsensuppe, je nach Jahreszeit auch anderes Gemüse, und setzte sich an seinen angestammten Platz. Gegessen wurde erst, wenn alle versorgt waren und die Priorin das Dankgebet gesprochen hatte.
    Auch einen Weinberg gab es nicht auf Serrabona. So mussten die jungen Männer ihr Jagdglück mit Most oder klarem Quellwasser begießen. Aber das tat der guten Laune keinen Abbruch. Vom Keiler wurde heute nicht gegessen, dazu war das Fleisch zu frisch, aber zur Feier des Tages gab es für jeden ein ordentliches Stück geräucherten Speck in der Suppe. Man saß eng beieinander, und trotz der gelegentlich strengen Blicke der Priorin wurde viel geredet und getuschelt. Alle wollten von der Jagd erfahren.
    Severin, als allseits erklärter Jagdmeister, genoss die Rolle des Wortführers, kräftig unterstützt von Jori und Felipe. Es setzte Fragen, Zwischenrufe und Gelächter, so dass der Hergang der Sauhatz in allen

Weitere Kostenlose Bücher