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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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und seine Gruppe hatten das Tor überrannt und die Wachen angegriffen. Arnaut und der Rest rannten nun in den Innenhof, wo ein wildes Durcheinander herrschte. Das einzige Licht kam von brennenden Scheiten in einem Kohlenbecken unter dem Dach des Torhäuschens und ein paar Fackeln gegenüber bei den Mannschafts- und Diensträumen. Blitzende Klingen, kämpfende Gestalten, die irre Schatten warfen, Flüche, Schreie und Stöhnen. Das schrille Wiehern der aufgeregten Pferde in den Ställen verstärkte noch den Aufruhr.
    Arnaut versuchte hastig, sich einen Überblick zu verschaffen. Am Tor lag ein Toter, zwei der Wachen verteidigten sich noch, andere hatten ihre Waffen von sich geworfen. Ihnen wurden hastig die Hände auf dem Rücken gebunden.
    Aber er sah deutlich, dass sie den Überraschungsvorteil verloren hatten, denn inzwischen waren Männer aus den Mannschaftsunterkünften geströmt.
    Der verfrühte Waffenlärm draußen am Wassertor musste sie aufgescheucht haben. Manche machten einen verschlafenen, verstörten Eindruck, waren nur halb bekleidet, wehrten sich mit dem, was sie in der Hast hatten greifen können. Aber den Kern des Widerstands bildeten die Krieger von Alfons’ Leibwache, hochgewachsene, harte Kerle, die umsichtig kämpften und sich gegenseitig mit den Schilden deckten. Sie mussten in ihren Rüstungen geschlafen haben, wenn überhaupt, und wurden nun von weiteren Palastwachen unterstützt, die von überall herbeieilten und begannen, die Katalanen zurückzudrängen.
    »Schließt das Tor!«, schrie Roderic zu seiner Verwunderung, und schon hörte er hinter sich, wie die Flügel des Tores zugeschlagen und mit einem Balken gesichert wurden. Nun gab es kein Entrinnen mehr, keine Möglichkeit des Rückzugs. Mit Gebrüll stürzte Arnaut sich ins Getümmel, Severin folgte und deckte seine rechte Seite. Auch andere
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warfen sich mit ihm gegen den Feind.
    Es gelang ihnen nicht gleich, eine Schildwand zu bilden, so dass die Tolosaner in die Lücken vorstießen und die ersten Opfer unter den Katalanen forderten.
    Als Arnaut die Männer fallen sah, packten ihn Wut und Raserei. Ungeachtet der eigenen Sicherheit, stemmte er sich gegen die Angreifer, drückte einen mit dem Schild zu Boden, stach ihm dabei in die Kehle, verletzte einen zweiten, den Severin, der nachgerückt war, mit einem gewaltigen Streich tötete.
    Arnaut suchte sich einen neuen Gegner, als ein Schwert von seinem Helm abprallte und mit Wucht in den eisernen Schildrand fuhr. Der Schädel dröhnte ihm von diesem Schlag. Plötzlich hatte er einen hünenhaften Tolosaner vor sich, der mit einer schweren Axt die Katalanen bedrängte. Es schien der Anführer der Leibwachen zu sein, denn er sah sich einen Augenblick um, um seine Männer anzufeuern. Das wurde ihm zum Verhängnis, denn Arnaut fällte ihn mit einem gewaltigen Stoß unter das Brustbein, der Kettenringe und Lederwams durchbohrte.
    Als sie ihren
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zu Boden gehen sahen, wichen die Tolosaner zurück, lang genug, dass die Katalanen sich neu formieren und besser aufstellen konnten. Roderics Augen suchten Arnaut in der Menge. Als er ihn entdeckte, deutete er auf die große Treppe hinter ihnen, die in die oberen Stockwerke führte. Männer aus Arnauts Gruppe warteten dort schon. Mehrere von ihnen trugen Fackeln, da die oberen Stockwerke im Dunkeln lagen.
    »Tu, wozu wir gekommen sind«, rief Roderic. »Wir halten sie so lange zurück.«
    Im Schutz der geschlossenen Schildwand von Roderics Männern, die in einem waffenstarrenden Halbkreis langsam zurückwichen, wandte sich Arnaut zur Treppe mit Severin auf den Fersen. Da sah er plötzlich Ermengarda, wie sie mit dem Rücken an die Innenmauer gepresst stand und mit weit aufgerissenen Augen das Geschehen im Hof verfolgte. Sie musste ihnen unbemerkt nachgelaufen sein.
    »Bist du von Sinnen?«, donnerte er, um den Lärm zu übertönen, der sie umgab. »Was tust du hier?«
    Sie sah ihn nicht einmal an.
    »So schnell wirst du mich nicht los«, schrie sie nur und rannte zur Treppe.
    ***
    Durch den unglücklichen Überfall auf die Wachmannschaft des Wassertors, der den Alarm ausgelöst hatte, waren die Tolosaner am gegenüberliegenden Stadttor von lo Borc gewarnt worden, verbarrikadierten sich und wehrten erfolgreich den Überfall von Girauds Männern ab. Von der Zinne über dem Tor schossen sie Pfeile auf Castellvells Leute, als diese aus den Booten kletterten und sich deshalb fürs Erste in den Schutz der Läden auf der Brücke

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