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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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zurückzogen.
    Lärm und Gebrüll der Wachen warnten nun auch die Tolosaner im Palast des Grafen gegenüber, auf der anderen Seite des Marktplatzes, so dass auch dort der Angriff misslang. Es dauerte etwas, bis die Tolosaner sich von ihrer Überraschung erholt hatten und einen Gegenangriff vorbereiten konnten. Aber dann strömten sie, fast eine Hundertschaft stark, auf den Marktplatz von lo Borc und drängten Girauds Männer zurück.
    Jetzt fehlten Castellvells Ritter, die an der Brücke festsaßen und ihnen nicht zu Hilfe eilen konnten. Girauds Krieger kämpften tapfer, waren aber zu wenige, als dass sie sich noch lange würden halten können. Viele von Girauds Helfern fielen. Er selbst wurde verwundet. Dass es nicht schneller ein Ende nahm, war nur den vielen jungen Männern aus lo Borc zu verdanken, die plötzlich überall in den Gassen auftauchten und die Tolosaner mit Steinen bewarfen.
    Das Südtor von lo Borc lag zu weit entfernt, als dass die Tolosaner Wachen von den anfänglichen Kämpfen etwas mitbekommen hatten. Dort war es deshalb gelungen, sie zu überrumpeln. Hastig wurde das Tor geöffnet, um Verstärkungen einzulassen. Bald darauf galoppierten katalanische
soudadiers
durch die Gassen von lo Borc und ritten einen Lanzenangriff auf die Tolosaner am Marktplatz, die sich plötzlich diesem neuen Feind gegenübersahen.
    Sie zogen sich eiligst in den Grafenpalast zurück, nicht ohne Tote und Verwundete zurückzulassen. Hinter der hohen Mauer schlossen sie sich ein, und nichts als ein Großbrand des Gebäudes hätte sie bewegen können, die Stellung aufzugeben. Das aber hätte die ganze Stadt angezündet. So blieb den Angreifern nichts übrig, als den Palast zu umstellen, in der Hoffnung, die Tolosaner auszuhungern. Zumindest die Wachen am Flusstor gaben jetzt auf, so dass Castellvell endlich beide Tore öffnen lassen konnte.
    Menerba dagegen hatte leichtes Spiel. Der Palast des Erzbischofs war nur dürftig bewacht gewesen. Dass Krieger es wagen würden, die
pax ecclesiae
zu brechen und in den Bereich des Erzbistums vorzudringen, war einfach undenkbar. Kriegshandlungen gegen Kirche oder Geistliche waren unter Androhung des Kirchenbanns streng verboten. Die wenigen Wachen wagten keinen Widerstand, und so nahmen Menerbas Männer den Palast ohne Blutvergießen ein.
    Als Erzbischof Leveson aus fiebrigem Schlaf hochschreckte, traute er seinen Augen nicht, denn da stand ein gepanzerter Menerba an seinem Bett, umringt von Kriegern.
    »Jes Maria«,
stieß der Erzbischof hervor. Ächzend mühte er sich auf. Fieberschweiß stand ihm auf der Stirn. Menerba erlaubte einem Diener, dem Alten ein Kissen unterzuschieben.
    »Es tut mir leid, Euch zu stören,
Mossenher
«, sagte er. »Aber es musste sein. Jedenfalls freue ich mich, dass es Euch bessergeht.«
    »Bist du des Teufels, Menerba?«, krächzte Leveson. »Was geht hier vor?«
    »Die wahre Herrscherin von Narbona ist zurückgekehrt, um ihren von Gott gewollten Platz einzunehmen. Ich will nur sicherstellen, dass Ihr dies nicht zu verhindern sucht. Eure Männer habe ich entwaffnet. Befehlt ihnen, sich ruhig zu verhalten, dann geht alles friedlich ab.«
    »Du hast dich also auf ihre Seite geschlagen. Aber wie …« Er sprach nicht weiter, denn Schreie und Waffenlärm drangen jetzt über den Platz bis in sein Gemach. »Was ist das?«, flüsterte er heiser.
    »Es wird noch gekämpft. Deshalb muss ich gehen,
Mossenher.
Ich empfehle mich.«
    Der Erzbischof sah ihm mit offenem Mund nach.
»Que puta merda!«,
fluchte er dann ganz ungeistlich und ließ sich auf die Kissen zurückfallen.
    Menschen strömten trotz später Stunde und schlechtem Wetter von überall her auf die Caularia und sammelten sich vor dem vizegräflichen Palast. Es waren Handwerker, Seeleute, Bürger, in der Hauptsache aber junge Männer. Sie ahnten, dass etwas Gewaltiges vor sich ging, und wollten dabei sein. Nicht wenige waren bewaffnet, wenn auch nur mit Messern oder Knüppeln. Viele johlten Spottrufe gegen die Tolosaner. Sie alle aber starrten gebannt auf den Palast, aus dem das Getöse heftiger Kämpfe schallte. Fackelschein bewegte sich hier und da wie Irrlichter hinter den Fenstern der oberen Stockwerke. Was ging dort vor?
    Menerbas Krieger drängten die Schaulustigen vom Palasteingang zurück, und dann stand er selbst davor.
    »Welcher Esel hat das verdammte Tor verschlossen?«, knurrte er voller Bangen, denn hinter diesen Mauern befand sich sein einziger Sohn. Wer konnte wissen, was la Bela in ihrer

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