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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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und Pfützen trabten. Ermengarda fiel es schwer, unter dem Gewicht ihres Kettenpanzers mit den waffengeübten Männern mitzuhalten, aber sie mühte sich, so gut es ging.
    Als sie sich den ersten Häusern der Vila Nova näherten und nicht mehr weit von der Mauer waren, verlangsamten sie den Schritt. Lautlos pirschten sie sich vor, wo sie die
posterula,
das Hintertürchen, vermuteten. Vor ihnen schlug ein Hund an. Eine ärgerliche Männerstimme ließ sich vernehmen. Eine Tür wurde zugeschlagen. Der Hund knurrte noch lange, bis sie außer Hörweite waren. Auf den Zinnen des Mauerabschnitts, dem sie folgten, waren keine Wachen zu erkennen. Bei diesem Hundswetter hielten sie sich vermutlich in den von Kohlenpfannen erwärmten Wachstuben auf, statt die Mauern abzuschreiten.
    Plötzlich trat ihnen eine vermummte Gestalt entgegen.
    »Wer geht da?«
    »Ermengarda«, raunte Arnaut das Losungswort. Der Fremde schlug die Kapuze zurück, und sie erkannten Raimon.
    »Alfons ist in der Stadt«, sagte er ohne weitere Begrüßung.
    »
Merda.
Was machen wir jetzt?«
    »Er hat nur seine Leibgarde dabei. Etwa dreißig Mann. Die meisten haben sich in seinem Palast in lo Borc eingerichtet. Er selbst ist gleich zu la Bela geeilt, wo er sich in dieser Stunde befindet, begleitet von einem Dutzend Kriegern.«
    »Nun schläft er also schon bei ihr«, ließ sich Ermengarda vernehmen und schüttelte verächtlich den Kopf.
    »Weiß Castellvell Bescheid?«, fragte Arnaut.
    »Keine Möglichkeit, ihn zu benachrichtigen.«
    »Dann müssen wir uns weiter an den Plan halten. Dreißig Mann werden uns nicht aufhalten.« Arnaut spürte in der Dunkelheit, wie Ermengarda nach seiner rechten Hand tastete, als suche sie Zuversicht. Wie unbeabsichtigt, zog er seine Hand weg. Er wünschte, sie würde ihm nicht dauernd so nahe kommen. Besonders nicht jetzt.
    »Gut«, sagte Raimon und ging voraus.
    Leise folgten sie ihm, bis sie vor der eisernen Tür standen. Diese lag hinter einem Mauervorsprung, halb von Büschen und Ranken verdeckt, und war nur angelehnt. Raimon öffnete sie einen Spalt weit und schlüpfte in den niedrigen Tunnel, der durch die mächtige, drei Klafter breite Mauer hindurch in die Stadt führte. Nach kurzer Zeit kam er zurück und winkte ihnen zu. Einer nach dem anderen schlich sich durch die Pforte.
    Halb erwartete Arnaut, den Alarmruf der Wachen zu hören, aber nichts regte sich, bis einer der Katalanen lärmend mit dem Schild gegen die Tür stieß.
    Erstarrt blieben sie mit klopfenden Herzen stehen. Doch alles blieb ruhig. Als auch der Letzte hindurch war, zog Raimon die eiserne Pforte wieder zu, ließ sie aber unversperrt, falls sie als Fluchtweg noch gebraucht wurde.
    Als Arnaut auf der anderen Seite der Mauer ins Freie trat, sah er sich um. Keine Menschenseele zu sehen. Alles schien zu schlafen. Vor ihnen führte eine lange Gasse in die Stadt, von der Arnaut wusste, dass sie das Judenviertel durchquerte und an ihrem Ende in den Marktplatz der Ciutat, la Caularia, einmündete, wo auch la Belas Palast lag.
    Es war zu dunkel, als dass man viel erkennen konnte, außer den schemenhaften Umrissen der nächstgelegenen Häuser, den schwarzen Schlünden von Toreingängen oder den unregelmäßigen Schattenrissen der Dächer gegen den Himmel. Der Regen hatte sich noch verstärkt und lief an Helmen und Schilden der Männer herab, als wären sie von einer glänzenden Ölschicht überzogen.
    Jori, der vor Nässe triefte, ging voran. In der engen Schlucht der Gasse war es noch dunkler, so dass sich kaum die Hand vor Augen erkennen ließ, doch der Junge bewegte sich mit einer traumwandlerischen Sicherheit. Eine Katze rannte laut miauend zwischen den Füßen der Männer hindurch, ein anderes Mal starrte ein Gesicht sie erstaunt aus einem Hauseingang an. Aus der Ferne klang gedämpftes Gegröle aus einer Taverne. Sonst war es still, niemand begegnete ihnen, bis sie die Caularia an ihrem Ostende erreichten, wo tagsüber die Wechseltische der
cambiadors
standen.
    Ein Schatten löste sich aus einem Hauseingang.
    »
Senher
Arnaut?«, flüsterte der Mann.
    Arnaut trat vor. »Hier bin ich.«
    »Alles in Ordnung?«
    »Wir sind vollzählig, keine besonderen Vorfälle.«
    »Gut. Ich heiße Roger und bin einer der Hauptleute von
Vescoms
de Menerba. Ihr wisst, dass der Graf von Tolosa sich im Palast der
vescomtessa
befindet?«
    »Wir wissen Bescheid. Und dort ist mit einem Dutzend seiner Leibwachen zu rechnen.«
    »So ist es. Solange uns die Überraschung gelingt,

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