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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Augenblick zum anderen taub und nutzlos. Dennoch mühte er sich, das Schwert zu heben, um Ermengarda zu verteidigen, aber da war der Kerl schon an ihnen vorbei. Fast blind vor Schmerz wankte und taumelte er, und so gelang es auch dem Zweiten, unter seiner Waffe wegzutauchen und Reißaus zu nehmen.
    »Das ist Tibaut«, schrie Ermengarda, die wieder zu sich gekommen war. »Haltet ihn!«
    Doch der hatte schon eine Hintertreppe erreicht und war die schmale Stiege in großen Sprüngen hinabgeeilt, bevor die wenigen Katalanen, die noch in der Nähe waren, ihn greifen konnten. Der zweite Mann entkam ihnen jedoch nicht. Sie packten ihn und banden ihn mit dem eigenen Gürtel.
    Ermengarda war an Severins Seite. »Was ist mit dir?«, rief sie außer sich. »Bist du verletzt?« Sie bemühte sich, ihn zu stützen.
    Severin holte schmerzhaft Luft. Es tat höllisch weh, wenn er versuchte, den Schild zu heben. Er fasste sich an die Schulter, aber an seiner Hand war kein Blut zu erkennen. Der Panzer musste den Hieb abgefangen haben.
    »Wird so schlimm nicht sein«, grinste er gequält. »Los, weiter. Arnaut soll den Spaß nicht für sich alleine haben.«
    Er biss die Zähne zusammen und stellte vorsichtig den Fuß auf die Treppe. Diesmal hielt Ermengarda sich hinter ihm, als er mit schmerzverzogenem Gesicht die Stufen erklomm. Dank des Nackenriemens musste er wenigstens den Schild nicht tragen. Oben angekommen, sahen sie zwei von la Belas Leibwachen am Boden liegen. Einer stemmte sich auf die Arme, um davonzukriechen, das Gesicht eine einzige Maske von Blut.
    Auch hier oben ging es wild zu. Männer brüllten, es kreischte das Gesinde, Frauen wichen vor ihnen zurück, Türen schlugen zu. Einen Augenblick lang war es Ermengarda, als hätte sie Ninas schreckensbleiches Gesicht gesehen. Aber dafür war jetzt nicht die Zeit. Sie folgte den Stimmen der
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und dem Poltern von Stiefeln, die gegen Türen traten, um zu sehen, wer sich dahinter verbarg.
    La Bela lag zitternd in ihrem Bett. Schon beim ersten Lärm, als die Ritter unten die Wachen überrascht hatten und durch das Tor in den Innenhof eingedrungen waren, war sie aufgeschreckt, denn im Gegensatz zu Alfons, der selig schnarchte, hatte sie nicht schlafen können.
    Beim Aufheulen der Verwundeten hatte sie ein fürchterliches Entsetzen erfasst. Das Toben und Schreien und Jammern klang in ihren Ohren, als wäre Gottes Strafgericht angebrochen. Das Kreischen des Gesindes draußen auf den Gängen und die Flüche und schweren Stiefel der Soldaten kamen immer näher. Bibbernd vor Angst lag sie in ihrem Bett, unfähig, sich zu rühren.
    Nein, es war nicht Gott. Es musste der Teufel sein, der mit allen Furien der Hölle unterwegs war, um sie zu suchen und zu holen. In einem Winkel ihres Hirns war sie noch halb bei Sinnen und wusste, das konnte nicht sein, trotzdem hörte sie nicht auf, am ganzen Leib zu zittern. Sie krümmte sich und wimmerte hilflos.
    Als die ersten Stiefeltritte gegen die Kammertür krachten, wachte Alfons auf. Mit einem Ruck fuhr er hoch. »Was, zum Teufel?«, keuchte er, sein Verstand verwirrt vom Schlaf.
    Arnaut, draußen vor der Tür, hob das Bein und trat noch einmal mit aller Wucht dagegen, denn hier musste sie sein. Endlich splitterte das Holz des Rahmens, die Tür flog auf und knallte gegen die Wand. Er warf den Schild weg und riss einem der Katalanen die Fackel aus der Hand. Mit dem Schwert in der Faust trat er in die Kammer. Auch die anderen drängten nach und hielten Fackeln hoch.
    Alfons saß aufrecht im Bett und blinzelte ungläubig. La Bela aber kreischte wild beim entsetzlichen Anblick blutbesprenkelter Krieger, die im Geisterschein der Fackeln in ihr Gemach eindrangen. Sie raffte das Betttuch, um ihre Blöße zu verbergen. Langsam und mit schlotternden Knien richtete sie sich auf, mit dem Rücken an die Wand gepresst, das Gesicht entstellt vor Furcht. Und dann schrie sie noch einmal auf, denn wie aus dem Nichts aufgetaucht, als sei sie einem ihrer Albträume entsprungen, stand plötzlich Ermengarda vor ihr. Wie ein rächender Engel, in Eisen gekleidet, ein Schwert in der Hand, der Blick voller Hass.
    Doch jetzt, da sie ihr gegenüberstand, fiel auf unerklärliche Weise die Furcht von la Bela. Ihre Glieder bebten noch, aber ein trotziger Mut regte sich. Ungeachtet der Männer im Raum, entblößte sie ihre nackte Brust und reckte stolz das Kinn.
    »Bist du gekommen, mich zu töten?«, schrie sie. »Dann tu es gleich. Darauf hast du doch

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