Die Comtessa
Troyes (*1135, †1183)
Flucht
W ährend sich die jungen Verschwörer, Felipe, Raimon, Arnaut und Severin, im
palatz
de Menerba trafen, um ihre Vorbereitungen zu treffen, erschien der
secretarius
des Erzbischofs bei der Vizegräfin und unterbreitete ihr die überarbeiteten Urkunden.
Tibaut de Malvesiz wurde gerufen, und sobald der eintraf, ließen sie sich von dem Mönch wiederholt die Dokumente vorlesen.
Sie gingen durch alle Einzelheiten, suchten nach Fehlern oder Auslassungen, Verschleierungen, doppeldeutigen Redewendungen, aber sie fanden nichts. Es war alles, wie es sein sollte. Erst als sie die Namen der Zeugen hörten, die die Heiratsurkunde mit unterzeichnen sollten, fand la Bela Grund zur Empörung.
»Warum bin ich nicht als Zeugin geführt?«, schrie sie den verschüchterten Mönch an, der sich wand und hilflos die Schultern hob.
»
Mossenher l’Avesque
hat es so angeordnet,
Domina.
«
Natürlich. Dieser Hundsfott von einem Erzbischof. Als Muntherrin der Braut durfte sie nicht auftreten und jetzt nicht einmal mehr als Zeugin zeichnen. Als ob sie plötzlich Luft geworden wäre. Sie schäumte innerlich. Nicht genug, dass er sie erniedrigt hatte, nun musste er sich auch noch in seinem Sieg suhlen wie die Sau im eigenen Dreck.
»Wenn das so ist, dann verweigere ich meine Zustimmung! Keine Hochzeit.
Basta!
«
Hilfesuchend blickte der
secretarius
den schwarzen Ritter Tibaut an.
»Beruhige dich, Ermessenda«, sagte der auf seine kalte, gelassene Art. »Es ist sogar besser so. Wird die Angelegenheit jemals angefochten, kannst du sagen, du hattest nichts damit zu tun.« Er setzte sein dünnes Wolfslächeln auf. »Bald ist das alles ohnehin hinfällig, wie du weißt.«
Sie warf ihm einen langen Blick zu. Ein unheimlicher Kerl, der ihr Angst machte. Aber nützlich. Sie hatte sich daran gewöhnt, sich auf ihn zu stützen. Er war ihr unersetzlich geworden.
»Wieso Menerba?«, fragte sie den Mönch etwas gefasster. »Der ist nicht einmal hier. Wie kann er seine Unterschrift leisten?«
»Man hat Boten geschickt,
Domina.
Schon gestern früh. Der
Vescoms
de Menerba müsste bereits eingetroffen sein.«
»Unterschreib jetzt gleich die Abmachung bezüglich deiner Regentschaft«, sagte Tibaut und legte ihr das genannte Pergament nebst Abschrift vor. »Nur das zählt im Augenblick.«
Sie ergriff den Federkiel, den ihr der Mönch reichte, tauchte ihn kurz in das offene Tintengefäß auf dem Tisch und unterzeichnete sorgfältig, jeweils auf Original und Abschrift, mit Ermessenda,
Vescomtessa.
Nach ihr unterschrieb Tibaut als Zeuge, und auch der
secretarius
machte seinen gewohnheitsmäßigen Kringel als Verfasser der Urkunde. Noch heute, während des Verlöbnisses, würde der Graf gegenzeichnen, der Erzbischof es bezeugen, und damit wäre ihre Stellung und ihr persönliches Vermögen fürs Erste gesichert.
Während la Bela den Vertrag unterschrieb, hatte Ermengarda auf dem Heimweg von Sant Paul Serge
Domna
Anhes’ Unmut über sich ergehen lassen müssen. Warum sie heute so abwesend sei, hatte es geheißen, und was sie nur immer so lange mit dem Abt zu reden habe. Gerade heute, wo noch so viel für die Hochzeit vorzubereiten sei. Ein wenig mehr Rücksicht könne man doch wohl erwarten.
Den Rest des Weges hatten sie schweigend zurückgelegt, auf Schritt und Tritt von den immer gegenwärtigen Wachen verfolgt. Ermengarda war eiligst zu ihrem Gemach emporgestiegen, hatte sich aufs Bett geworfen und lange an die Deckenbalken gestarrt.
***
Nach dem Vesperläuten von der Kathedrale Sant Just füllte sich die
aula
des vizegräflichen Palastes zur Begehung des feierlichen Verlöbnisses der jungen Erbin von Narbona.
In Wahrheit sollte es keine große Angelegenheit werden, jedenfalls nicht so, wie man es unter anderen Umständen für eine solche Verbindung erwartet hätte, denn dafür fehlte einfach die Zeit. Außerdem wollte man jede Möglichkeit eines öffentlichen Ärgernisses vermeiden, falls die Braut sich immer noch in den Kopf gesetzt hatte, ihre Hand zu verweigern. Nicht, dass ihr das viel genutzt hätte.
Die Liste der Geladenen beschränkte sich auf die Herrschaften, die den Ehevertrag zu bezeugen hatten, verlässliche Männer von Gewicht, auf deren Verschwiegenheit man zählen konnte. Die meisten von ihnen standen dem Erzbistum nahe oder hatten Vorteile aus dem Paktieren mit Alfons gezogen. Unter ihnen Peire de Montbrun, der Domdechant und Levesons Vertrauter, und Peire Monetarius, der reiche Münzer und
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