Die Comtessa
bedeutendes Mitglied des Bürgerrats. Ihm hatte Alfons einige einträgliche Mühlen an der Aude oberhalb der Stadt zugeschanzt. Die beiden Letzten auf der Liste der Unterzeichner waren der Konsul Bardine Saptis und
Vescoms
de Menerba. Sie ließen sich nicht dem Tolosaner Lager zuordnen, aber sie waren zu bedeutend, um ausgelassen zu werden.
Der Erzbischof war heute in schlichtem Priestergewand erschienen, mit einem silbernen Kreuz als einzige Zierde auf der schmächtigen Greisenbrust. In seinem Gefolge befand sich auch der Gelehrte Rabbi Todros, der
nassim,
Oberhaupt der jüdischen Gemeinde von Narbona. Auch wenn die Juden nicht im Rat vertreten waren, so hatten ihre Geldgeschäfte und weitreichenden Handelsbeziehungen doch große Bedeutung für die Stadt. Selbst das Erzbistum ließ sein Vermögen von den Juden verwalten. Es gehörte sich also, dass auch der
nassim
an einem Akt von solcher Bedeutung teilnahm.
Der alte Jude machte einen gleichmütigen Eindruck, hielt die Augen halb geschlossen, als ginge ihn all dies hier wenig an, doch in Wahrheit übersah er nichts. Er betrachtete die Angelegenheit mit gemischten Gefühlen, denn mit Alfons als neuem Herrscher von Tolosa könnte sich einiges ändern. Was es für die Juden bedeuten würde, ließ sich noch nicht abschätzen, doch sein Gefühl sagte ihm, bestimmt nichts Gutes.
Alfons, in Begleitung von Joan de Berzi, wartete ungeduldig und hob gereizt die Augenbrauen, als sich Peire de Menerba der Gesellschaft anschloss. Der Mann betrat als Letzter den Saal, mit heißer Stirn und kotbespritzten Kleidern vom langen Ritt aus den Bergen seiner Heimat.
Endlich geruhte auch die
vescomtessa
zu erscheinen.
Wie gewohnt machte sie einen großen Auftritt, ließ sich von einem Diener ankündigen, schwebte hoheitsvoll in den Saal, ganz als sei sie die Königin von Jerusalem.
Man erhob sich, grüßte artig, Verbeugungen, Handküsse. Sie war wie immer sorgfältig gekleidet, wenn auch heute in gedeckten Farben, bescheidener als üblich. Ihr folgten die Töchter. Nina mit anmutigen Bewegungen, kindlich neugierig um sich blickend. Und zuletzt, von den Anwesenden ungeduldig erwartet, betrat die junge Erbin den Raum.
Ermengarda hielt sich aufrecht, in stolzer Haltung, auch wenn sie, einer jungen
donzela
geziemend, die Augen züchtig niederschlug. Heute war sie besser als sonst gekleidet. Eine hochgeschnürte Robe aus lichter Seide mit kunstvollen Falten bis auf den Boden. Im Gegensatz zu la Bela trug sie keinen Schmuck, nur das dunkle, glänzende Haar, das mit hauchdünnen Goldfäden verflochten bis auf die Hüften fiel.
Ein Raunen ging durch den Saal, denn keinem der Geladenen waren die Verheerungen auf ihrem Antlitz entgangen, auch wenn man das Schlimmste mit Puder und Schminke abzudecken versucht hatte. Als sie daraufhin aufsah und erhobenen Hauptes in die Runde blickte, war es, als trüge sie die Male mit trotzigem Stolz. Den Grafen von Tolosa streiften ihre Augen nur ein einziges Mal. Danach würdigte sie ihn keines weiteren Blickes.
Erzbischof Leveson hielt eine kurze, dem Anlass angemessene Ansprache, redete von Gott und seiner ehrwürdigen Kirche, der es am morgigen Tage vergönnt sein werde, diese zwei edlen Seelen in den heiligen Stand der Ehe zu führen, zum Segen der glücklichen Familien und zum Wohle des ganzen Landes. Man nickte, murmelte Beifall, und es blieb nicht unbemerkt, dass die
vescomtessa
bei diesen Worten einen grimmen Zug um den Mund hatte.
Der Erzbischof kam nun schnell und geschäftsmäßig zur Sache. Domdechant Montbrun wurde aufs Neue bemüht, die Artikel der Urkunden vorzutragen. Man lauschte aufmerksam, Fragen gab es keine. Also schritt man zur Unterzeichnung. Zuerst die Abmachung Ermessenda betreffend, dann reihten sich die Trauzeugen auf, bis einer nach dem anderen sein Zeichen unter die Heiratsurkunde gesetzt hatte. Nur Menerba starrte die Vizegräfin einen Augenblick lang durchdringend an, so dass sie unter seinem Blick leicht errötete. Schließlich schüttelte er bitter seufzend den Kopf und unterschrieb.
Zuletzt war es an Ermengarda. Mit steinernem Gesicht, doch entschlossen und ohne zu zögern, setzte sie ihren Namen unter die Dokumente. Der Erzbischof nickte befriedigt. Alfons atmete auf.
Neugierig und aufmerksam hatte der Graf seine zukünftige Gemahlin beobachtet. Die schlanke Gestalt fand sein Wohlgefallen, ihre Schönheit rührte ihn. Wie konnte es sein, dass sie ihm bisher nicht aufgefallen war?
Die Wundmale auf ihrem Gesicht
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