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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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dauerten ihn zutiefst. Doch sie würden gewiss bald heilen. Wer la Belas feuriges Gemüt kannte, der konnte keine Zweifel hegen, wie es dazu gekommen war. Dass dies halbe Kind nun, trotz Widerspruch und Züchtigung, so ruhig und gemessen vor die Versammlung getreten war, das zeugte von Adel und Selbstbeherrschung. Er war angenehm überrascht und äußerst befriedigt mit dem Lauf der Dinge. Morgen, nach langen Jahren, würde er endlich Narbona besitzen, und ein prächtiges Weib dazu.
    Diese Gedanken mussten sich auf seinem Gesicht gespiegelt haben, denn plötzlich merkte er, wie Arnaut de Leveson ihn mit einem spöttischen Lächeln bedachte. La Bela beobachtete ihn ebenfalls, wenn auch mit verstecktem Unmut. Kann es sein, dass sie eifersüchtig ist? Auch das fand er äußerst befriedigend. Ein guter Tag für
Coms
Alfons de Tolosa. Und der morgige versprach ein noch besserer zu werden.
    ***
    Nach dem Unterzeichnen der Urkunden war für die Anwesenden in der
aula
eine kleine Stärkung aufgetragen worden. Kein großes Abendessen, sondern nur gebratene Wachteln, eingemachte Gänsebrust, Geräuchertes vom Schwein, dazu frisch gebackenes, duftendes Brot und Wein vom besten aus der Gegend, ausgeschenkt in prachtvollen Kelchen, die aus den Glasbläsereien des fernen Jerusalems stammten.
    Menerba hatte sich jedoch gleich entschuldigt und war ohne ein weiteres Wort davongeeilt. Auch unter den übrigen Gästen hatte keine rechte Stimmung aufkommen wollen. Außer Alfons, der gutgelaunt und kräftig zugelangt hatte, aßen die anderen spärlich und mehr aus Höflichkeit.
    Gespräche hatten sich auf das Mindeste beschränkt, denn selbst diesen Männern, die zum großen Teil Alfons und dem erzbischöflichen Lager nahestanden, war bewusst, dass hier etwas gewaltsam erzwungen wurde, das der langen Geschichte der Vizegrafschaft zuwiderlief. Ob zum Guten, würde sich erst noch zeigen. Manch einer wünschte sich gar die alten Zeiten unter Aimeric zurück, und der Anblick seiner schönen Tochter, der man so offensichtlich übel mitgespielt hatte, verstärkte ein unbestimmtes Gefühl der eigenen Mitverantwortung. War sie nicht wie die Stadt selbst, der man im Begriff stand, Gewalt anzutun? Aber so war das Leben. Die Dinge änderten sich nun mal, und Opfer ließen sich nicht immer vermeiden. Besser nicht darüber reden. Übrigens, ein ganz vorzüglicher Wein, nicht wahr?
    Als Menerba später sein Haus betrat, fand er seinen einzigen Sohn vor, der ihm Vorhaltungen machte.
    »Wie konntest du dich dazu hergeben?«, fragte Felipe. »Hast du deinen Stolz verloren? Was haben sie dir geboten? Und was hat nur diese Frau aus dir gemacht?«
    »Du wagst es, so mit mir zu reden?« Drohend richtete Menerba sich auf und ballte die Fäuste.
    »Willst du mich schlagen? Nur zu!«
    Er starrte in Felipes hasserfülltes Gesicht. Wie es schmerzte, von dem eigenen Sohn verachtet zu werden. Er wandte sich um und stieg müde zu seinem Schlafgemach empor.
    Die Vorgänge um Ermengardas Vermählung, und was dies für die Stadt und letztlich auch für ihn bedeutete, beschäftigten Felipe noch lange in dieser Nacht und ließen ihn nicht schlafen.
    Jahrelang hatte er mit seinen jungen Kameraden Unsinn getrieben, herumgehurt, die Gegend unsicher gemacht. Zuerst war es nur Spaß gewesen. Mit der Zeit war daraus Aufsässigkeit geworden, Revolte gegen den Vater. Je mehr dieser Felipes Umtriebe missbilligte, je dreister hatte der sich aufgeführt. Die unheilvolle Beziehung seines Vaters zu der
vescomtessa
war ihm nicht verborgen geblieben und gewiss der Grund für das lange Siechtum und den Tod der Mutter. Felipe war gegen alles, was sein Vater darstellte, gegen Dünkel und Hochmut des alten Adels, gegen die gleichgültige Selbstherrlichkeit, mit der man sich über die Rechte anderer hinwegsetzte.
    Doch jetzt war Schluss mit den hirnlosen Besäufnissen und Vergnügungen der Vergangenheit. Nun würde sein Leben einen Sinn bekommen. Durch Ermengardas Flucht würde er der Gerechtigkeit dienen, die Rechte der Bürger stärken, helfen, Narbona in eine bessere Zukunft zu führen. Er sah sich als Vorkämpfer einer neuen Ordnung. Mehr Offenheit zur Welt, Freiheit vom hemmenden Einfluss des Adels, der sich an die Macht klammerte. Hinwegfegen sollte man sie alle, seinen Vater zuerst. Narbona sollte reich und mächtig wie Genua und Pisa werden, vor allem unabhängig. Das war, wovon er träumte.
    Auch Ermengarda, im
palatz vescomtal,
wälzte sich schlaflos auf dem Lager. Sie war so

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