Die Comtessa
aufgeregt, dass sie wie im Fieber zitterte. Lange hatte sie Ninas Schnattern ertragen müssen, die in Hochzeitsträumen schwelgte, nimmer satt wurde, von Festen, Borten, Bändern und Roben zu schwatzen. Ja, auch von Männern, obwohl nur geflüstert, versteht sich, aber wie es wohl sei in der ersten Nacht, ob man fest die Augen schließen müsse, die Zähne aufeinanderbeißen.
Als sie beim Kinderkriegen angelangt war, hatte es Ermengarda gereicht. Bevor sie in ihr Gemach geflüchtet war, hatte sie ihre Halbschwester noch einmal heftig geküsst und an sich gedrückt. Schwer hatte das Geheimnis auf ihr gelastet, denn wer konnte wissen, wie lange sie getrennt sein würden.
Severin schlief wie immer den Schlaf des Gerechten. Arnaut lag neben ihm im Dunkel der Nacht und hatte Angst. Niemals würde er dies irgendjemandem eingestehen, aber in der Tiefe seiner Seele fürchtete er sich. Nicht vor Tod oder Verletzung, sondern davor, er könne versagen.
***
Es war kein schöner Tag für eine Trauung.
In der Nacht waren Wolken aufgezogen, am Morgen hatte es heftig geregnet. Tiefe Pfützen standen in den Gassen, und die klamme Feuchtigkeit ließ einen Geruch von Fäulnis aufkommen.
Arnauts Blick folgte der Fassade der Kathedrale Sant Just e Pastor bis hinauf zur Spitze des alten Glockenturms, der sich nass und dunkel vor dem Grau des Himmels abhob. Die Kirche war nach den Heiligen benannt, der Sage nach zwei Jungen aus dem fernen Spanien, die bei den Christenverfolgungen unter Kaiser Diocletian ihr Leben für den Glauben gelassen hatten. Ein Eremit hatte später die Gebeine nach Narbona gebracht. Wann, das konnte niemand mehr sagen, so lange war es her.
Noch immer tropfte es von den Dächern, und ein kühler, feuchter Wind fegte über die Stadt, der die Menschen frösteln ließ. Viele hatten sich hier versammelt, um den heiligen Akt zu verfolgen, den Erzbischof Leveson vor dem Kirchenportal beging.
Dass nur wenige der Zuschauer darüber glücklich waren, zeigte sich an den verschlossenen Gesichtern und den gelegentlichen Pfiffen und Zwischenrufen aus den hinteren Reihen. Zur Sicherheit umschloss eine Doppelreihe Tolosaner Söldner die Gruppe um den Erzbischof, Schild und Speer nach außen auf die Menge gerichtet. Auch in den angrenzenden Gassen standen Soldaten bereit, sollte es irgendjemandem einfallen, die Feierlichkeiten zu stören.
Der Prälat, in vollem Ornat, las aus der Bibel, doch der Wind riss ihm die Worte von den Lippen und trieb sein Unwesen mit dem Schleier der Braut. Sie wirkte zart und verloren neben der kräftigen, hochgewachsenen Gestalt des Tolosaners. Als Leveson das schwere Buch schloss, ergriff
Coms
Alfons würdevoll die Hand der jungen Erbin, um ihr seinen Ring auf den Finger zu streifen. Der Erzbischof segnete feierlich das Paar und geleitete sie in die Kirche, um mit den anderen geladenen Gästen, darunter die
vescomtessa
und ihr Hof, die Messe zu feiern. Die Menge, die nachdrängen wollte, wurde von den Speeren der Söldner zurückgehalten.
»Was für eine elende Posse«, sagte Felipe.
Die vier jungen Männer standen etwas abseits unter dem Dachvorsprung eines Hauses, von wo aus sie alles beobachtet hatten. Die Leute begannen, ihrer Wege zu gehen, als hätten auch sie genug von dem Schauspiel. Nur einige wenige blieben, um das Ende der Messe abzuwarten.
»Seid ihr bereit?«, fragte Arnaut und blickte in die Runde.
Alle nickten.
»Mein Reitknecht wartet mit den Pferden am verabredeten Ort«, sagte Felipe. »Für … ihr wisst schon, wen … habe ich einen hübschen Zelter aus dem Stall meines Vaters entwendet. Der Knecht glaubt, es geht mit Freunden zu einem Jagdausflug. Ich werde ihn nachher wegschicken, wenn Severin mit euren eigenen Gäulen kommt. Und zu gegebener Stunde will ich mich wie verabredet beim Wassertor postieren.«
Um nach Carcassona zu gelangen, hatten sie sich für wenig benutzte Umwege quer durchs Bergland südlich der Aude entschieden. Der von Felipe genannte Treffpunkt lag in der Nähe des Flusses und am Südufer, außerhalb der Stadtmauer von lo Borc und in der Nähe der Kirche Beata Maria de la Morguia, wie das Viertel der Ölhändler genannt wurde.
Von der Brücke bis dorthin war es am Fluss entlang nicht weit. Das Wichtigste war, unbemerkt aus dem Palast, durchs Wassertor und über die Brücke zu gelangen. Felipe, als Sohn des Statthalters, würde zur Sicherheit die Wachen am Wassertor beschäftigen, um Arnaut und Ermengarda Gelegenheit zu geben, unbemerkt
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