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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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eingeweiht.«
    Kein Wort, dass er Arnaut mit fragwürdigen Mitteln zu diesem Treffen gelockt hatte. Heimlich jedoch warf er ihm einen beschwörenden Blick zu.
    Arnaut öffnete den Mund, um Einspruch zu erheben, als er bemerkte, mit welch dankbarem und vertrauensvollem Lächeln die junge Erbin ihn bedachte. Da verließ ihn der Mut. Wie ein Hase in der Schlinge fühlte er sich. Nun, er würde erst einmal zuhören. Ablehnen konnte er immer noch.
    »Mein Kind«, sagte der Abt mit tiefer Sorge in der Stimme. »Was du vorhast, ist Irrsinn und viel zu gefährlich. Ich muss entschieden davon abraten.« Er ergriff ihre Hände und blickte ihr beschwörend in die Augen. »Ich will gar nicht davon reden, dass du die guten Sitten verletzt, indem du dich deiner Muntherrin widersetzt. Aber so eine Flucht muss doch vorbereitet werden. Gute Planung. Eine schlagkräftige Eskorte, um sich gegen Verfolger zu verteidigen.«
    Er ließ Ermengardas Hand los und bedachte die jungen Männer mit einem strengen Blick. »Die Stadt wimmelt von Tolosaner Söldnern. Dies wahnwitzige Unterfangen wird Menschenleben kosten. Wie wollt ihr zwei allein das in drei oder vier Tagen auf die Beine stellen und durchführen, ohne Ermengardas Leben zu gefährden?«
    Arnaut rutschte auf seinem Stuhl herum. Schau mich nicht an, alter Mann, dachte er, denn ich habe nichts damit zu tun.
    Ermengarda sah plötzlich wie ein verfolgtes Reh aus.
    »Wir haben keine drei oder vier Tage mehr,
Paire
Imbert«, erwiderte sie aufgeregt. »Deshalb hatte ich Felipe die Magd geschickt.«
    »Was ist geschehen?«
    »Die Trauung findet schon morgen statt.«
    »Was?«, fuhr Felipe hoch.
    »Zur Mittagszeit. Ich habe es selbst erst vor wenigen Stunden erfahren.« Ermengarda wirkte unruhig und erregt, aber nicht niedergeschlagen. Als vertraue sie tatsächlich zwei unerfahrenen jungen Männern, sie aus der Höhle des Löwen zu befreien.
    Felipe schlug wütend mit der Faust auf den Tisch.
    »Verdammt! Das macht alles zunichte.«
    Der Abt bekreuzigte sich indes. »Gelobt sei Jesus Christus! Ich weiß, wie schmerzlich das für dich ist, mein Kind, aber es ist wahrlich besser, diese wirren Pläne aufzugeben.«
    Ratlose Stille folgte diesen Worten.
    Felipe stierte wütend vor sich hin. Der Abt blickte sorgenvoll auf Ermengarda, die jetzt in sich versunken, mit gerunzelter Stirn auf ihrem Stuhl saß und nachzudenken schien.
    Was Arnaut betraf, so konnte er die Augen nicht von ihrem geschundenen Gesicht lassen. Die Haut immer noch geschwollen, dunkle Blutergüsse hatten sich gebildet, den Riss in der Unterlippe bedeckte ein Wundschorf. Wie, in Gottes Namen, hatte die Stiefmutter ihr so etwas antun können? Er spürte einen Hass in sich aufsteigen. Und so kam es, dass er einfach nicht den Mund halten konnte, obwohl ihn das alles eigentlich gar nichts anging.
    »Es muss nachts geschehen«, sagte er mit Bestimmtheit und bereute es gleich wieder, denn Ermengarda blickte auf und sah ihn so hoffnungsvoll an, als habe er gerade den Schlüssel zu ihrer Rettung gefunden.
    »Unmöglich.« Felipe schüttelte düster den Kopf. »Nach Einbruch der Dunkelheit wird der Palast verriegelt. Es ginge höchstens vorher, also heute am späten Nachmittag, aber dann bliebe uns überhaupt keine Zeit mehr …«
    »Da findet das Verlöbnis statt und der Zeichnungsakt des Ehevertrages«, unterbrach ihn Ermengarda. »Und mir sind weitere Prügel angedroht, wenn ich nicht erscheine.« Sie verzog den Mund zu einem bitteren Lächeln, das Arnaut einen Stich ins Herz verursachte.
    »Dürfen sie das überhaupt?«, gab Felipe von sich. »Verlangt die Kirche nicht die Zustimmung der Braut?«
    Paire
Imbert nickte betrübt. »Eigentlich schon. Doch wie oft wird dagegen verstoßen. Und wer will schon Klage führen, wenn der Erzbischof selbst …« Er hob die Schultern in hilfloser Geste.
    »Dann bleibt uns nur morgen Vormittag«, sagte Felipe tapfer trotz der Zweifel, die ihm im Gesicht standen.
    Doch auch diesmal schüttelte Ermengarda den Kopf. »In der Früh kommen Näherinnen, um mir in aller Eile ein Kleid auf den Leib zu schneidern.« Sie griff sich an den Hals, als drohe sie zu ersticken. »Was können wir nur tun?«
    Es war aussichtslos. Arnaut schielte zu Ermengarda hinüber, die gedankenverloren am Schorf ihrer wunden Lippe rührte. Lamentieren und Tränen hätte er erwartet. Stattdessen hatte sich ihr Atem wieder beruhigt. Still saß sie da, eher ernst als betrübt, die geschwungenen Brauen in tiefer Nachdenklichkeit

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