Die Comtessa
ausgedacht haben. Der Fischer hat sie jedenfalls nach Mitternacht aufgenommen und ein Stück weiter flussabwärts am anderen Ufer an Land gesetzt. So konnten sie die Straßensperren umgehen.«
»Wer war bei ihr, will ich wissen.«
»Der Mann sagt, ein junger Kerl, unbewaffnet.«
»Nur einer?«
»Auch ein Knabe, zwölf oder dreizehn Jahre alt.«
»Ein Knabe? Was soll das? Will dein Fischer uns zum Narren halten?«
Tibaut zuckte mit den Schultern. »Er beschwört es. Er sagt, ein weiterer junger Mann habe ihn am Abend zuvor angeheuert und ist dann in der Nacht mit ihm rüber, um die drei zu holen. Am Ankunftsort hätten zwei andere mit Pferden gewartet, auch junge Burschen, nach den Stimmen zu schließen. Nur konnte er sie in der Dunkelheit nicht recht erkennen. Er glaubt aber, es seien Edelleute gewesen.«
»Woher will er das wissen, wenn er sie nicht erkennen konnte.«
»Redeweise, Gebaren, du weißt schon. Außerdem trugen sie Schwerter und sahen aus, als wüssten sie damit umzugehen. Ritter oder
soudadiers
in jedem Fall, obwohl sie keine Wappenröcke oder Abzeichen trugen.«
»Vier junge Ritter oder Söldner. Und ein Knabe. Seltsam.«
Dass die Trencavels Ermengarda entführt haben könnten, diesen Bären hatten sie Alfons aufgebunden und sich insgeheim über dessen Leichtgläubigkeit lustig gemacht. Jedenfalls war es gut, ihn in dem Glauben zu lassen. Es lenkte den Mann von ihren eigenen Plänen ab. Aber nun hatten sie endlich eine erste Fährte.
La Bela schloss für einen Augenblick die Augen. Bei dem Stechen in ihrem Hirn war es schwer, einen klaren Gedanken zu fassen.
»Es muss jemand aus der Stadt sein«, sagte sie. »Aber mit wem hatte sie schon Umgang, außer den üblichen Höflingen …« Da fiel ihr Felipe ein. »Menerbas Sohn. Mit ihm habe ich sie des Öfteren tuscheln sehen.«
Warum ihr sofort Felipe de Menerba eingefallen war, hätte sie nicht sagen können, aber ihr Gefühl sprach deutlich. Ein schmucker junger Bursche, schwärmerisch dazu. Der hatte sich gewiss in die hübsche Göre verguckt, machte sich vielleicht sogar Hoffnungen auf eine dauerhafte Verbindung, der Narr. Dieser Streich würde ihm nicht gut bekommen, denn dass man die beiden bald einfangen würde, daran hegte sie keinen Zweifel. Tibaut würde sie nicht entkommen lassen.
»La garça!«,
stieß sie wütend hervor. »Die will sich mit ihm davonmachen. Irgend so eine verzweifelte Liebesgeschichte, da bin ich sicher.« Sie verdrehte die Augen. »Mädchen in dem Alter … du weißt, was ich meine. Aber musste es ausgerechnet Menerbas Sohn sein? Das macht alles noch verworrener, als es schon ist.«
»Eine Liebesgeschichte?« Tibaut zog Brauen und Schultern hoch. »Gut möglich. Aber der Fischer kennt Felipe aus irgendeiner Spelunke. Er sagt, der sei nicht dabei gewesen, soweit er das in der Dunkelheit erkennen konnte. Jedenfalls nicht im Boot.«
»Und ich wette doch!«, rief la Bela. »Ich frage mich nur, wie sie es angestellt haben. Wie sind sie aus dem Palast gekommen, an allen Wachen vorbei? Es ist unglaublich!«
»Möglicherweise stecken noch andere in der Sache mit drin. Jemand im Palast selbst. Aber wie dem auch sei, wichtig ist jetzt, schnellstens die Verfolgung aufzunehmen, damit wir sie nicht verlieren.«
»Woher willst du wissen, wo sie hin sind?«
»Das Nächstliegende, wie wir wissen, wäre Carcassona oder Besier. Ich habe Joan de Berzi ans Herz gelegt, besonders die Straßen dorthin zu überwachen.« Dabei lächelte er hinterhältig. »Das hält die Tolosaner fürs Erste beschäftigt. Ich werde mit meinen Leuten inzwischen andere Möglichkeiten erkunden.«
»Du glaubst nicht, sie flüchtet zu den Trencavels?«
»Wer weiß? Wenn Ermengarda gewitzt genug ist, diese Flucht zu planen, wird sie kaum so dumm sein, das zu tun, was jeder als Erstes vermuten würde. Ich meine, sie oder ihre Helfer, wer auch immer der Schlaukopf unter ihnen ist. Jetzt muss ich mich empfehlen,
Midomna.
Meine Männer warten.«
Mit diesen Worten verbeugte sich Tibaut und ließ la Bela tief in Grübeleien versunken zurück. Sie fühlte sich immer noch schwach, unfähig aufzustehen. Hatte ihre Göttin sie verlassen? Nie hätte sie gedacht, dass Ermengarda zu so etwas fähig gewesen wäre.
Jes Maria,
was für eine Wildkatze!
Zu ihrem Unmut wurde nun auch noch Alfons gemeldet, der nach ihr verlangte. Sie stöhnte, denn das kam ihr gar nicht gelegen, aber man musste den Fürsten von Tolosa bei Laune halten, gerade jetzt. Hastig, und trotz
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