Die Comtessa
ihres Kopfschmerzes, sprang sie aus dem Bett und ließ sich von ihrer Dienerin ankleiden.
Alfons, der ungeduldig in Ermessendas Empfangssaal gewartet hatte, sprang auf, als sie sich endlich zeigte.
Er nahm ihre Hand und hauchte einen Kuss darauf. Sie kam ihm müde, abgespannt vor. Kein Wunder, dachte er, wenn einem die eigene Tochter entführt wird. Trotz der Schatten unter ihren Augen fand er, dass la Bela mehr denn je ihrem Beinamen Ehre machte. Die vornehme Blässe passte zu den feuerroten Haaren. Während sie mit niedergeschlagenen Augen Platz nahm, drapierte sie die körperschmeichelnden Falten ihres Gewandes auf eine Weise, die sowohl züchtig wie verhalten aufreizend wirkte. Fast schmerzhaft spürte er den Zauber ihrer Weiblichkeit.
»Es tut mir leid, meine Liebe«, sagte er. Und als sie ihn aus grünen Augen fragend ansah, fügte er hinzu: »All die Aufregung. Es muss quälend für dich sein.«
»Eher für dich. Man hat dich deines Weibes beraubt.«
»Nun ja.« Er räusperte sich. In ihrer Gegenwart war es ihm peinlich, von Ermengarda als seinem Weib zu reden. Außerdem musste er sich an den Gedanken erst noch gewöhnen. Aber die Frechheit, mit der man ihm unter der Nase die Braut entführt hatte, war schon atemberaubend.
Eine Erniedrigung, ein Schlag ins Gesicht, der seinen Stolz empfindlich verletzt hatte. Daran, dass er Ermengarda zurückbekommen würde, zweifelte er jedoch keinen Augenblick. Und dann würde er sich an den Entführern grausam rächen.
»Meine Männer suchen alle Straßen ab«, knurrte er. »Man wird sie finden.«
»Und wenn nicht?«
»Nun«, er zögerte. »Dann wird es wahrscheinlich auf ein … ein Lösegeld hinauslaufen, verflucht noch mal! Entschuldige die grobe Redeweise, aber es ist wirklich mehr als ärgerlich. Man wird dann mit den … Trencavels zu verhandeln haben. Und vermutlich wird sich Narbona wohl oder übel an einer Summe … beteiligen müssen.« Sein Sprachfehler machte sich wieder bemerkbar.
La Bela blickte überrascht auf. »Du willst uns dafür bluten lassen, dass man dir dein Weib gestohlen hat?«
Die Frage machte ihn sichtlich verlegen.
»So weit ist es ja noch nicht. Wir werden die Entführer gewiss bald fangen. Und schlimmstenfalls … nun, man könnte ja den Juden eine Sondersteuer auferlegen, was meinst du? Die haben doch genug Geld.«
Er fasste erneut ihre Hand.
»Den Trencavels, den verfluchten Hunden, werde ich in jedem Fall das Leben schwermachen, das verspreche ich dir. Meine Männer sind gerüstet. Wir brechen noch heute auf. Ab nun herrscht Krieg!«
»Was für Zeiten!«, seufzte la Bela schwach.
Von dem Fischer und der nächtlichen Flucht über die Aude erzählte sie ihm jedoch nichts.
***
»Nicht sehr beeindruckend«, sagte Felipe.
Sie befanden sich auf einer der vielen bewaldeten Anhöhen dieser östlichen Ausläufer der Corbieras und blickten hinab auf die bescheidenen Klostermauern, die sich in das stille Tal zwischen den grünen Hügeln duckten.
»Bist du sicher, dein Mann hält sich hier auf?«
»Ganz sicher«, erwiderte Arnaut. »Noch auf der Herreise haben wir ihn besucht. Er mag es hier, gerade wegen der Einsamkeit. Er ist ein Bücherwurm.«
Aber Felipe hatte recht. Santa Maria de Fontfreda war keines der großen Klöster, deren ehrwürdige Namen jedermann auf der Zunge trug. Hier gab es nur einfache Unterkünfte, die mit dem gedrungenen Haupthaus ein Viereck bildeten, eine kleine Kapelle, Scheunen und Stallungen, Schweinekoben und Schafhürden, viel mehr war nicht zu sehen. Vor etwa fünfzig Jahren durch eine Landgabe und Stiftung von Ermengardas Großvater gegründet, dann von den Vizegrafen prompt vergessen und sich selbst überlassen, hatte die kleine Gemeinschaft der frommen Brüder durch Schweiß und Hartnäckigkeit der Wildnis einen bescheidenen Wohlstand abgetrotzt. Sie hatten Auen in fruchtbare Felder verwandelt, Wald gerodet, Ölbäume und Wein gepflanzt, eine Schafzucht begonnen und das Wasser des kleinen Bachs, der hier floss, genutzt, um ihren Gemüsegarten zu bewässern. Nach diesem Bächlein war auch das Kloster benannt,
font freda,
die kühle Quelle, und sein sanftes Plätschern ließ sich bis hier oben vernehmen, wo Arnaut und Felipe müde und durstig zwischen den Büschen lagen. Sie hatten beschlossen, mit Umsicht vorzugehen, sich erst zu vergewissern, dass keine Gefahr drohte.
In der vergangenen Nacht, nach geglückter Überquerung der Aude, hatten sie den Fischer entlohnt und sich auf den Weg machen
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